- Statt einer Operation oder einer Bestrahlung der Prostata kommt für manche Männer mit frühem Prostatakrebs die sogenannte "Active Surveillance" infrage. Übersetzt bedeutet der englische Begriff “aktives Überwachen“ und geht mit regelmäßigen Kontrolluntersuchungen einher.
- Eine andere Strategie ist das “Watchful Waiting“. Hier werden nur auftretende Beschwerden wie beispielsweise Schmerzen, jedoch nicht der Krebs selbst behandelt.
- Wer eine Therapie beginnen möchte, kann das jederzeit tun.
Nicht verwechseln
Prostatakrebs aktiv zu überwachen bedeutet nicht nur abzuwarten. Im Gegenteil: Betroffene gehen bei der Active Surveillance zu regelmäßigen Kontrolluntersuchungen. Dadurch kann der Krebs noch in heilender Absicht behandelt werden, sofern er bei den Kontrollen weitergewachsen ist.
Beim Watchful Waiting werden hingegen keine Untersuchungen des Tumors durchgeführt. Hier ist der Ansatz palliativ. Das bedeutet: es werden nur Beschwerden behandelt.
Wichtig: Informationen aus dem Internet können Ihnen einen Überblick bieten. Sie sind aber nicht dazu geeignet, die Beratung durch einen Arzt oder eine Ärztin zu ersetzen.
Was Fachleute empfehlen: Wichtiges in Kürze
Prostatakrebs ist nicht immer behandlungsbedürftig: Mit dem PSA-Test entdecken Ärztinnen und Ärzte bösartige Tumoren der Prostata oft in einem frühen Stadium. Dann wächst der Tumor meist sehr langsam und nicht aggressiv. Solche Tumoren wären ohne die Früherkennungsuntersuchungen nicht aufgefallen und hätten einem Mann zu Lebzeiten womöglich auch keine Beschwerden bereitet. Fachleute bezeichnen den Krebs in dieser Situation als "klinisch nicht bedeutsam".
Bei einem klinisch nicht bedeutsamen Tumor empfehlen Fachleute, auf eine Therapie vorerst zu verzichten: Männer mit einem solchen Tumor können eine Therapie über einen längeren Zeitraum hinauszögern oder sogar vermeiden – und dadurch auch mögliche Nebenwirkungen einer Behandlung.
Was ist die Strategie ohne Krebstherapie? Bei Prostatakrebs im frühen Stadium, kann für Männer unter bestimmten Voraussetzungen die sogenannte Active Surveillance (englisch für aktiv überwachen) oder das Watchful Waiting (englisch für abwartend beobachten) infrage kommen.
- Wichtig: Den Tumor aktiv zu überwachen oder abwartend zu beobachten sind zwei grundsätzlich verschiedene Vorgehensweisen.
Watchful Waiting auch im fortgeschrittenen Stadium eine Option: Männer haben auch im fortgeschrittenen Stadium die Möglichkeit, auf eine Therapie zu verzichten. Für wen diese Strategie infrage kommt, können Sie im Abschnitt Watchful Waiting bei Prostatakrebs nachlesen.
Das erfahren Sie in diesem Text: Wir erklären, wie sich diese Strategien unterscheiden, welche medizinischen Kriterien dafür erfüllt sein müssen und welche Vor- und Nachteile damit verbunden sind.
Active Surveillance bei Prostatakrebs
Bei der aktiven Überwachung (englisch: Active Surveillance) erhält ein Mann mit frühem Prostatakrebs zunächst keine Therapie, lässt sich aber regelmäßig untersuchen. Dabei kontrolliert die behandelnde Ärztin oder der Arzt, ob sich die klinischen Eigenschaften des Tumors verändert haben: also, ob er beispielsweise gewachsen ist.
Prostatakrebs im frühen Stadium
Haben Männern einen kleinen, auf die Prostata begrenzten Tumor, sprechen Fachleute von einem frühen Erkrankungsstadium.
Das Risiko, dass die Erkrankung eines Mannes fortschreitet oder er später einen Krankheitsrückfall (Rezidiv) hat, ist in dieser Situation eher gering.
Nicht für alle Männer mit frühem Prostatakrebs kommt eine aktive Überwachung infrage. Neben dem frühen Krankheitsstadium sind auch das Alter eines Mannes, Begleiterkrankungen und weitere medizinische Kriterien ausschlaggebend.
Fachleute empfehlen eine Active Surveillance für Männer mit einem geringen Risiko für einen Krankheitsrückfall (Niedrig-Risiko-Prostatakrebs). Folgende medizinische Kriterien müssen dafür erfüllt sein:
- Gleason Score ≤ 6 (ISUP-Gruppe 1)
- PSA-Wert höchstens 10 Nanogramm pro Milliliter (ng/ml)
- Tumorstadium T1c bis T2a
Männer können sich auch dann für eine Active Surveillance entscheiden, wenn der Tumor auf die Prostata begrenzt ist und sie ein mittleres Risiko für einen Krankheitsrückfall mit folgenden günstigen Faktoren haben:
- Gleason Score 3+4 = 7a (ISUP-Gruppe 2)
oder - PSA-Wert über 10, aber höchstens bei 20 Nanogramm pro Milliliter (ng/ml)
oder - Tumorstadium T2b
UND - in der Gewebeprobe ist kein sogenanntes cribriformes und/oder intraduktales Wachstum der Krebszellen nachweisbar und der Anteil mit aggressiv wachsenden Krebszellen (Gleason-Muster 4) liegt unter 10 %.
Wann kommt eine Active Surveillance nicht infrage? Wenn bei Männern mit Prostatakrebs im Befund folgende Werte stehen:
- Gleason-Score 4+3 = 7b oder höher (ISUP-Gruppe 3 bis 5)
oder - Gleason Score 3+4 = 7a (ISUP-Gruppe 2) mit erhöhtem Risiko* für einen Krankheitsrückfall
* im Befund stehen dann folgende Begriffe: “cibriform“ und/oder “intraduktal“ oder der Anteil mit aggressiv wachsenden Krebszellen (Gleason-Muster 4) liegt bei über 10 %. - PSA-Wert liegt bei mindestens 15 Nanogramm pro Milliliter (ng/ml)
- der Tumor ist nicht mehr auf die Prostata begrenzt (ab T3) und/ oder hat die Lymphknoten befallen (N1).
Mehr erfahren zu ISUP-Gruppe, Gleason-Score und Co.
Hinweis: Ausführlicher Erklärungen zu den ISUP-Gruppen sowie den oben genannten medizinischen Kriterien und Fachwörtern finden Sie im Text Diagnose Prostatakrebs: Untersuchungen bei Krebsverdacht.
So läuft die Aktive Überwachung ab
ISUP-Gruppe: Kurz erklärt
Die ISUP-Gruppe gibt an, wie aggressiv Prostatakrebs wächst:
Bei ISUP-Gruppe 1 wächst der Tumor beispielsweise gar nicht oder nur sehr langsam.
Merke: Je niedriger die ISUP Gruppe, desto langsamer wächst der Tumor und desto günstiger ist die Prognose.
Bei der Active Surveillance gehen Männer regelmäßig zu Kontrollterminen. Dabei fragt der behandelnde Arzt oder die Ärztin zunächst nach dem Gesundheitszustand. Zur Active Surveillance gehören neben der körperlichen aber auch verschiedene weitere Untersuchungen.
- Wichtig zu wissen: nicht alle Untersuchungen finden bei jedem Kontrolltermin statt:
PSA-Test: In den ersten 2 Jahren empfehlen Fachleute regelmäßig zur Blutabnahme zu gehen. Dabei wird der PSA-Wert untersucht.
- bei Prostatakrebs der ISUP Gruppe 1: alle 6 Monate
- bei Prostatakrebs der ISUP-Gruppe 2: alle 3 Monate
1. Kontroll-Biopsie mit gleichzeitiger Bildgebung (multiparametischer Magnetresonanztomographie, kurz mpMRT):
- Hat ein Mann vor dem Beginn der aktiven Überwachung eine Biopsie unter MRT-Kontrolle erhalten? Dann folgt die nächste Untersuchung erst 12 bis 18 Monate nach Beginn der Active Surveillance.
- Beginnt die Active Surveillance ohne eine mpMRT-gestützte Biopsie, folgt diese Untersuchungen innerhalb von 6 Monaten.
Weitere Kontroll-Biopsien: In welchen Abständen weitere Biopsien notwendig sind, hängt vom Ergebnis der 1. Biopsie unter MRT-Kontrolle und dem gemessenen PSA-Wert ab. Fachleute empfehlen innerhalb der ersten 10 Jahre aber spätestens alle 3 Jahre eine Gewebeentnahme.
Zum Weiterlesen
Wie genau die Untersuchungen ablaufen, können Sie unter Diagnose Prostatakrebs: Untersuchungen bei Krebsverdacht nachlesen.
Vorteile und Nachteile
Wichtig
Entscheiden Sie sich nur für eine aktive Überwachung, wenn Sie selbst davon überzeugt sind und sich damit sicher fühlen.
Sprechen Sie mir ihrem Ärzteteam: Generell empfiehlt es sich, das Gespräch mit der behandelnden Ärztin oder dem Arzt zu suchen. Diese können über mögliche Risiken, Nebenwirkungen oder auch Vorteile der verschiedenen Methoden informieren. Zudem lassen sich in einem solchen Gespräch auch direkt Rückfragen klären.
Vorteile einer Active Surveillance:
- Männer können die Nebenwirkungen einer Therapie umgehen. Dazu zählen etwa Beschwerden beim Wasserlassen, Impotenz oder Inkontinenz.
- Männer können jederzeit auf eigenen Wunsch die Active Surveillance beenden.
- Eine Heilung ist auch möglich, wenn Betroffene nach der Active Surveillance eine Therapie beginnen.
- Schreitet die Erkrankung fort, kann ein Mann direkt mit einer Therapie beginnen.
Nachteile einer Active Surveillance:
- Manche Männer kann es belasten, abzuwarten und den Tumor nicht direkt behandeln zu lassen. Einige haben vielleicht im Verlauf der Zeit das Gefühl, keine Kontrolle zu haben.
- Nicht ganz auszuschließen ist, dass der Krebs trotz der regelmäßigen Kontrolltermine unbemerkt weiterwächst. Dadurch ist er später möglicherweise nicht mehr so gut behandelbar.
- Obwohl ein Mann keine Therapie erhält, ist es notwendig zu regelmäßigen Kontrolluntersuchungen zu gehen. Dazu gehören auch Untersuchungen, die mit Nebenwirkungen verbunden sein können wie etwa Biopsien.
- Es ist möglich, dass der Tumor durch eine Biopsie fälschlicherweise als klinisch unbedeutsam bewertet wird: Die Gewebeproben einer Biopsie können nur Tumoranteile mit einem niedrigeren Gleason-Score enthalten, obwohl der Tumor schon weiter fortgeschritten ist.
Tipps für das Arztgespräch
Wann Männer die Active Surveillance abbrechen sollten
Es gibt verschiedene Gründe eine aktive Überwachung abzubrechen:
Möchte ein Mann die aktive Überwachung beenden und eine Therapie beginnen? Dann kann er den Wunsch jederzeit äußern. Andernfalls empfehlen Experten die Active Surveillance solange fortzuführen, bis der Krebs fortschreitet. Männer können in dieser Situation in der Regel trotzdem eine Therapie mit dem Ziel der Heilung erhalten.
Hat sich der PSA-Wert in weniger als 3 Jahren verdoppelt? Dann empfehlen Fachleutezunächst eine Biopsie unter MRT-Kontrolle.
- Wichtiger Hinweis: Steigt der PSA-Wert eines Mannes langsam an, macht das nicht sofort eine Therapie erforderlich.
Das Ergebnis einer Biopsie ist entscheidend, ob ein Mann die aktive Überwachung abbrechen sollte. Die Gewebeprobe liefert Hinweise, ob sich die Eigenschaften des Tumors verändert haben (höherer Gleason-Score) und er beispielsweise seit der letzten Untersuchung größer geworden oder schneller gewachsen ist.
Watchful Waiting bei Prostatakrebs
Beim Watchful Waiting verzichtet ein Mann nicht nur auf die Behandlung von Prostatakrebs, sondern auch auf gezielte, regelmäßige Kontrolluntersuchungen des Tumors.
Ziel von Watchful Waiting: Es sollen nur auftretende Beschwerden, etwa Schmerzen und nicht der Krebs selbst behandelt werden. Daher ist das abwartende Beobachten eine ausschließlich lindernde, sogenannte palliative Maßnahme. Eine Heilung ist damit nicht zu erreichen.
Für wen kommt Abwarten und Beobachten infrage?
- Wenn eine Therapie in heilender Absicht körperlich sehr belastend und zu risikoreich ist: beispielsweise für Männer mit Begleiterkrankungen (etwa des Herz-Kreislauf-Systems) oder in einem hohen Alter (mit einer mutmaßlichen Lebenserwartung unter 10 Jahren).
- Laut Fachleuten können sich Männer mit einem Gleason-Score von 6 bis 7 für diese Strategie entscheiden. Das Tumorstadium und der PSA-Wert spielen dabei keine Rolle.
- Auch Männer mit Prostatakrebs im fortgeschrittenen Stadium können sich für das Watchful Waiting entscheiden.
Zum Weiterlesen
Mehr zum Tumorstadium, dem Gleason-Score und dem PSA-Wert finden Sie in dem Text Diagnose Prostatakrebs: Untersuchungen bei Krebsverdacht.
So läuft das Watchful Waiting ab
Beim Watchful Waiting werden Männer nur behandelt, wenn sie Beschwerden haben. Abhängig von den Beschwerden, können sie verschiedene Therapien erhalten:
- eine Hormonentzugstherapie
- eine sogenannte transurethrale Resektion der Prostata
- eine Strahlentherapie
Wichtiger Hinweis: Diese Therapie behandelt nur die Symptome, nicht den Krebs.
Vorteile und Nachteile
Sprechen Sie mit ihrem Arzt
Es empfiehlt sich immer mit seinem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin zu sprechen. Sie kennen Ihren Gesundheitszustand am besten und können dabei helfen, das Für und Wider gut gegeneinander abzuwägen.
Vorteile vom Watchful Waiting
- Gerade bei Männer in einem hohen Alter oder für Männer mit ernsthaften Begleiterkrankungen kann Abwarten sinnvoll sein, weil eine Behandlung eher risikoreich ist: Prostatakrebs im frühen Stadium wächst zudem oft sehr langsam und verursacht lange keine Beschwerden.
- Wenn der Krebs Beschwerden verursacht, gibt es wirksame Therapien, um diese zu behandeln.
- Die Lebensqualität steht im Vordergrund: Männer können sich eine Behandlung und die damit verbundenen Nebenwirkungen ersparen.
Nachteile vom Watchful Wainting
- Bei dieser Strategie kann der Krebs nicht geheilt werden.
Quellen und Links für Interessierte und Fachkreise
Im Folgenden finden Sie eine Auswahl an hilfreichen Links zum Weiterlesen und Quellen, die für die Erstellung dieses Textes genutzt wurden.
Quellen und weiterführende Informationen
Leitlinie
Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Prostatakarzinom, Langversion 7.0, 2024, AWMF Registernummer: 043/022OL. Stand 05/2024. Aufgerufen am 16.01.2025.
Systematische Übersichtsarbeiten
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Vernooij RW et al. Radical prostatectomy versus deferred treatment for localised prostate cancer. Cochrane Database Syst Rev. 2020;6:CD006590. doi: 10.1002/14651858.CD006590.pub3.
Fachartikel (Auswahl)
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Herden J, Ansmann L, Ernstmann N, Schnell D, Weißbach L: The treatment of localized prostate cancer in everyday practice in Germany—a multicenter prospective observational study (HAROW) in 2957 patients. Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 329–36. doi: 10.3238/arztebl.2016.0329
Klotz L. Active surveillance in intermediate-risk prostate cancer. BJU Int. 2020 Mar;125(3):346-354. doi: 10.1111/bju.14935.
Maggi M, Cowan JE, Fasulo V, Washington SL, Lonergan PE, Sciarra A, Nguyen HG, Carroll PR. The Long-Term Risks of Metastases in Men on Active Surveillance for Early Stage Prostate Cancer. J Urol. 2020;204(6):1222-1228. doi: 10.1097/JU.0000000000001313.
Tosoian JJ, Mamawala M, Epstein JI, Landis P, Wolf S, Trock BJ, Carter HB. Intermediate and Longer-Term Outcomes From a Prospective Active-Surveillance Program for Favorable-Risk Prostate Cancer. J Clin Oncol. 2015 Oct 20;33(30):3379-85. doi: 10.1200/JCO.2015.62.5764.