Ameisen krabbeln über eine geschlossene, von Wassertropfen bedeckte Knospe einer Pfingsrose.

Neuropathie bei Krebspatienten: Beschwerden lindern

Symptome, Ansprechpartner, Diagnostik, Behandlung von Nervenschädigungen

Aktualisiert am:

  • Bei einer Neuropathie wurden Nerven durch die Krebsbehandlung oder die Tumorerkrankung selbst geschädigt. Meist sind die Nerven in Händen und Füßen betroffen.
  • Taubheitsgefühle, aber auch Missempfindungen wie Überempfindlichkeit, Kribbeln oder Schmerzen können bei einer Neuropathie auftreten. Die Symptome können vorübergehend oder dauerhaft sein.
  • Wir fassen zusammen, welche Maßnahmen die Symptome lindern können, wie neuropathische Schmerzen behandelt werden können und wo Betroffene und Angehörige Ansprechpartner und Unterstützung finden.

Wichtig: Informationen aus dem Internet können Ihnen einen Überblick bieten. Sie sind aber nicht dazu geeignet, die Beratung durch einen Arzt oder eine Ärztin zu ersetzen.

Weibliche Hände öffnen den Drehverschluss eine Wasserflasche
Chemotherapie-bedingte Nervenschäden bei Krebs: Schon das Öffnen einer Flasche kann schwerfallen.
Bild: © Krebsinformationsdienst; DKFZ

Besteht das Risiko für eine Neuropathie, etwa durch eine Chemotherapie oder andere Behandlungsverfahren? Dann sollte man als Krebspatient wissen, wie sich erste Anzeichen von peripheren Nervenschäden anfühlen. Stellt man solche Symptome fest, sollte man dies umgehend den behandelnden Ärzten mitteilen.

Wann ist man besonders gefährdet?

Erste Anzeichen einer Nervenschädigung können bei manchen Patienten direkt während einer Krebsbehandlung auftauchen, bei anderen erst verzögert. Auch die Anzeichen und Ausprägungen von Nervenschäden können unterschiedlich sein.

Viele Betroffene berichten zunächst von Schmerzen und Gefühlsstörungen. Sie beginnen überwiegend in den Fußsohlen und Fingerspitzen und können sich bis zu Knöchel und Handgelenk ausdehnen. Einige Betroffene reagieren überempfindlich auf kleinste Berührungen oder sonstige Reize. Manche Patienten haben das Gefühl, als ob Ameisen durch ihre Füße und Hände laufen.

Auch das Gegenteil ist möglich: Hände und Füße fühlen sich pelzig, taub oder eingeschlafen an. Andere Patienten haben den Eindruck, sie gingen auf Watte. Manche Betroffene nehmen gar keine Schmerzen, Vibrationen, Wärme oder Kälte mehr wahr.

Auswirkungen im Alltag

Kribbeln, Taubheit, Brennen

Spüren Sie Kribbeln, Brennen, Taubheitsgefühle, Muskelschwäche oder Schmerzen in den Fußsohlen oder Fingerspitzen? Das sollten Sie Ihrem Arzt sagen.

Die Taubheit der Hände kann zu Schwierigkeiten bei feinmotorischen, alltäglichen Aktivitäten führen: Das Zuknöpfen eines Hemdes, das Aufdrehen einer Flasche oder Schreiben wird zur großen Herausforderung. Sind die Füße betroffen, kann dies dazu führen, dass man nicht mehr stabil geht, häufiger das Gleichgewicht verliert oder sogar stürzt.

Auch oberflächliche Verletzungen an Händen und Füßen bleiben oft unbemerkt, wenn das Gefühl fehlt: Unversorgte Wunden werden leichter zur Eintrittspforte von Krankheitserregern. Deshalb steigt bei Neuropathien das Risiko für Wundinfektionen.

Sind motorische Nervenbahnen betroffen, die Muskeln aktivieren, kommt es unter Umständen zu unwillkürlichem Muskelzucken oder zu Muskelkrämpfen. Andere Betroffene haben keine Kraft mehr in den Armen und Beinen. Die Folge: Man kann schlecht greifen oder tut sich schwer beim Gehen.

Hör-, Seh- und Gleichgewichtsstörungen

Bei Schädigungen von Hirnnerven können Hör- und Sehvermögen betroffen sein. Insbesondere Cisplatin wirkt sich auf das Innenohr aus: Dies führt zu klingenden Ohrgeräuschen (Tinnitus) oder einem Hörverlust vor allem im Hochtonbereich. Auch Gleichgewichtsstörungen können Betroffene belasten.

Wer neuropathische Beschwerden während oder nach einer Krebsbehandlung an sich beobachtet, sollte unmittelbar mit seinem behandelnden Onkologen Rücksprache halten. Erste einfache Tests können dann meist beim gleichen Termin durchgeführt werden. Bei Bedarf wird der Krebsmediziner zur weiteren Abklärung aber auch an Spezialisten überweisen.

Wer als Ansprechpartner infrage kommt, hängt von den Anzeichen und der Stärke der Beschwerden ab:

  • Für die Diagnostik und Behandlung einer peripheren Neuropathie kann dies ein Arzt sein, der sich mit Nervenerkrankungen auskennt, ein Neurologe.
  • Treten Beeinträchtigungen des Gehörs auf, wird ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt (HNO) einbezogen.
  • Bei Beeinträchtigungen des Sehvermögens ist ein Augenarzt der richtige Ansprechpartner.
  • Verspürt jemand Missempfindungen, die mit starken Schmerzen einhergehen, wird der Onkologe zu einem auf Schmerzen spezialisierten Arzt überweisen.
Eine ältere Patientin mit nachdenklichem Blick ist im Beratungsgespräch mit einem Mediziner in der Arztpraxis.
Mögliche Symptome sollte man seinem Arzt schildern. [Symbolbild]
Bild: © Krebsinformationsdienst, DKFZ; Foto: Tobias Schwerdt

Was ist wichtig für die Abklärung einer Neuropathie, worauf kann man sich vorbereiten? Zunächst wird der Arzt einige Fragen zur bisherigen Krankengeschichte und zur Krebsbehandlung an sich stellen, um die Risikofaktoren genau einschätzen zu können. Vorbereiten kann man sich auch auf Fragen nach den konkreten Beschwerden, die auf Nervenschäden hinweisen.

Unter Umständen benutzen Ärzte zum Erfassen dieser Fragen zu einer Neuropathie auch einen standardisierten Fragebogen.

Was man wissen sollte: Noch diskutieren Fachleute einheitliche Standards und Vorgehensweisen, um eine Neuropathie am besten abzuklären. Wie schwer die Nervenschädigung rein medizinisch ist, gilt allgemein aber als weniger wichtig. Im Vordergrund steht, als wie belastend man als Patient die Beschwerden wahrnimmt und wie sehr sie einen im alltäglichen Leben beeinflussen.

  • Wie es Ihnen ganz persönlich geht, bestimmt, welche weiteren Untersuchungen bei Ihnen notwendig sind.

Welche Untersuchungen kommen infrage? Welche sind Standard, welche nur in bestimmten Situationen nötig?

Testung des Vibrationsempfindens

Mit einer Stimmgabel misst ein Arzt das Vibrationsempfinden am Fuß eines Patienten.
Ob man Vibrationen spürt, testet der Arzt mit einer Stimmgabel.
Bild: © Visionär - Fotolia.com

Wie empfindlich reagiert tiefer liegendes Gewebe auf Vibration? Die Messung der sogenannten Tiefensensibilität und des Vibrationsempfindens gehen schnell und tun nicht weh.

Der Arzt verwendet dafür eine Stimmgabel, die er zum Schwingen bringt und auf die Haut setzt. Meist testet er die Empfindungen an der Hand, am Daumengrundgelenk, am Innenknöchel des Fußes und am Großzehengrundgelenk. Als Patient hält man während der Untersuchung die Augen geschlossen und berichtet dem Arzt, ob man die Schwingungen der Stimmgabel wahrnimmt.

Ein vermindertes Vibrationsempfinden ist während und kurz nach einer Krebsbehandlung oft ein erster Hinweis auf eine Neuropathie, noch bevor man die Empfindungsstörungen im Alltag wahrnimmt.

Prüfung von Reflexen

Wichtige Untersuchungen

Frühe Anzeichen einer Chemotherapie-bedingten Nervenschädigung sind der Ausfall des Achillessehnenreflexes und ein vermindertes Vibrationsempfinden.

Der Arzt kann verschiedene Muskeleigenreflexe prüfen, wie etwa den Achillessehnenreflex. Dafür klopft er mittels eines Reflexhammers leicht auf die angespannte Achillessehne. 
Dies ist möglicherweise etwas unangenehm. 
Ist der Reflex vorhanden, streckt man unwillkürlich den Fuß. 
Ist der Achillessehnenreflex abgeschwächt oder ganz erloschen, fehlt diese Bewegung. Dies kann auf eine Schädigung peripherer Nerven hinweisen.

Messen der oberflächlichen Reizwahrnehmung

Ob man an der Körperoberfläche Reize normal wahrnehmen kann, testet der Arzt, indem er das Schmerz-, Temperatur-, Berührungs- und Druckempfinden untersucht.

Das Kalt-Warm-Empfinden überprüft er mit kalten Metallgegenständen und normalweise "wärmerem" Plastik. Kann man mit geschlossenen Augen nicht unterscheiden, was der Arzt einem gerade auf die Haut auflegt oder in die Hand drückt, deutet dies ebenfalls auf eine Neuropathie mit eingeschränktem Berührungsempfinden hin.

Ob man Schmerzen noch wahrnimmt oder im Gegenteil eine schmerzhafte Überempfindlichkeit entwickelt hat, testet der Arzt an Händen und Füßen mit einem Wattebausch oder einer Nadel. Wenn das noch kitzelt oder piekt, ist das zunächst ein gutes Zeichen. Wenn man selbst leichteste Berührungen aber als unangenehm erlebt, oder wenn man gar nichts spürt, kann dies ebenfalls ein Neuropathie-Zeichen sein.

Motorik und funktionale Beeinträchtigungen testen

Der Arzt schaut sich an, ob eine Muskelschwäche beim Fuß- und Zehenheber oder Fingerspreizer erkennbar ist. Möglicherweise muss man auch einen Gehtest machen. Der Arzt kann dabei sehen, ob man Schwierigkeiten mit dem Gehen, der Koordination oder dem Gleichgewicht hat.

Elektroneurografie (ENG) – Nervenleitgeschwindigkeit messen

Messen der Nervenleitgeschwindigkeit

Bei Patienten mit ausgeprägten Neuropathien wird gemessen, wie schnell und wie gut Nerven Reize weiterleiten.

Bei Bedarf können Neurologen als ergänzende Untersuchung außerdem die Nervenleitgeschwindigkeit in Armen und Beinen messen. Fachleute bezeichnen diese Untersuchung als Elektroneurografie (ENG). Der behandelnde Arzt erhält dadurch Informationen zum Ausmaß der Schädigung sowie Informationen, welche Strukturen genau geschädigt sind.

Bei der Untersuchung legt der Arzt dazu Elektroden an das betroffene Areal an. Nach einer Chemotherapie sind dies bei den meisten Patienten Hände und/oder Füße. Er reizt dann den Nerv, der wichtige Muskeln zum Beispiel in den Fingern steuert. 
Wenn der leichte Stromstoß erfolgt, ist das möglicherweise kurz unangenehm. 
Das angeschlossene Messgerät prüft die Zeit, die der Muskel zur Reaktion auf die Stimulation benötigt. Neurologen erkennen daran, ob die Reizweiterleitung an sich beeinträchtigt ist, und konkreter ob Nerven oder ihre Hüllen geschädigt sind.

Elektromyografie (EMG) – elektrische Aktivität im Muskel messen

Noch genauer gelingt die Ursachensuche mit dieser Untersuchung: Insbesondere bei Patienten mit Muskelschwächen kann eine Elektromyografie (EMG) zum Einsatz kommen. Damit messen Neurologen die elektrische Aktivität eines Muskels und stellen fest, ob der Muskel selbst erkrankt ist, oder ob der Nerv geschädigt ist, der diesen Muskel mit Informationen versorgt.

Die Elektromyografie kann mit oberflächlichen Elektroden auf der Haut, häufiger aber als Nadel-Elektromyografie durchgeführt werden. Der Arzt sticht zur Messung eine dünne nadelförmige Messelektrode in den betroffenen Muskel. Dies ist schmerzhaft, geht aber schnell. Über die Elektrode wird die Muskelaktivität abgeleitet. Bei der Untersuchung wird dies über einen Verstärker als Rauschen und Knattern hörbar. Die Ergebnisse lassen sich zudem im Computer auswerten.

Diese Untersuchung ist nicht bei jedem Betroffenen möglich: Nehmen Patienten blutgerinnungshemmende Medikamente ein, oder ist ihre Blutgerinnung durch andere Ursachen beeinträchtigt, kommt eine Nadel-Elektromyographie normalerweise nicht infrage.

Hörtest – Schwerhörigkeit feststellen

Was tun, wenn man klingende Ohrgeräusche hat oder schlechter hört? Dann sollte ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt einen Hörtest durchführen.
Mittels der sogenannten Tonschwellen-Audiometrie kann er die Hörschwelle eines Patienten bei jedem Ohr genau bestimmen. Hörverluste im Hochtonbereich, wie sie etwa bei Cisplatin-Gabe vorkommen, lassen sich dadurch frühzeitig erkennen.

Medikamentöse Behandlung schwierig

Helfen Tabletten? Aktuell gibt es kaum Behandlungsverfahren gegen Neuropathie, deren Wirksamkeit durch aussagekräftige wissenschaftliche Studien belegt ist.

Ist der Tumor selbst die Ursache der Neuropathie? Dann wird man nach Möglichkeit versuchen, ihn zu verkleinern, um den Druck auf die Nerven zu mindern. Infrage kommen an sich alle Behandlungsverfahren, die man grundsätzlich zur Tumortherapie einsetzt, von Operationen über Chemotherapie und weitere Medikamente bis hin zu Bestrahlungen. 
Was konkret umsetzbar ist, hängt allerdings von der Krebsform und dem Krankheitsstadium ab, mehr dazu in den Texten unter "Krebsarten".

Wie sieht es mit der Behandlung von geschädigten peripheren Nerven als Folge einer Chemotherapie oder einer zielgerichteten Therapie aus? Fachleute sind hier offen: Die Therapie ist schwierig. Ob eine medikamentöse Behandlung überhaupt möglich ist, hängt davon ab, welche Beschwerden bei Betroffenen im Vordergrund stehen:

  • Bei Symptomen wie Missempfindungen, Taubheitsgefühl, Muskelschwäche oder Koordinationsstörungen sowie Hörproblemen stehen bislang keine Medikamente zur Verfügung, deren Wirksamkeit zweifelsfrei belegt ist.
  • Gehen die Nervenschäden mit Schmerzen einher, gibt es aber wirksame Arzneimittel.

Abhilfe gegen die Einschränkungen durch eine Neuropathie bieten je nach Situation außerdem Bewegungstraining und Physiotherapie, ergotherapeutische Übungen und einige Verfahren zur Behandlung von Sensibilitätsstörungen.

Was ist mit Vitaminen, Spurenelementen oder anderen Nahrungsergänzungsmitteln? 
Bisher gibt es keine Anhaltspunkte, dass solche Mittel gegen eine Neuropathie bei Krebspatienten helfen. Auf eigene Faust sollte man sowieso nicht zu entsprechenden Produkten greifen: Sie können unerwünschte Wechselwirkungen mit den Arzneimitteln zur Krebstherapie haben. Daher gilt: Am besten spricht man vorab mit den behandelnden Ärzten.

Medikamente zur Behandlung neuropathischer Schmerzen - was kommt infrage?

Frau nimmt eine Tablette ein mit einem Glas Wasser.
Übliche Schmerzmittel wie etwa Acetysalicylsäure (ASS) helfen bei neuropathischen Schmerzen nicht.
Bild: © JESHOOTS.com, Pexels

Antidepressiva
Wirksam bei Chemotherapie-bedingten neuropathischen Schmerzen sind einige Mittel gegen Depressionen, sogenannte Antidepressiva. Dazu zählen beispielsweise die Wirkstoffe Duloxetin, Venlafaxin und Amitryptilin. Hochwertige Studien zeigen: Diese Mittel können teilweise Schmerzen durch Nervenschäden lindern.

  • Duloxetin ist laut einer aktuellen Leitlinie am wirksamsten. Mögliche Nebenwirkungen des Wirkstoffs sind beispielsweise Mundtrockenheit oder Magen-Darm-Beschwerden, wie Durchfall oder Erbrechen. Duloxetin ist in Deutschland gegen Schmerzen bei Nervenschädigungen durch die Zuckerkrankheit und Depressionen zugelassen. Ärzte können den Wirkstoff auch bei Krebs verordnen, die Kostenübernahme sollte aber mit der Krankenversicherung im Vorfeld abgeklärt werden.
  • Venlafaxin kann man laut der Leitlinie ebenfalls erhalten. In Studien wurden bei diesem Medikament stärkere Nebenwirkungen beschrieben. Dazu zählen beispielsweise Übelkeit, Erbrechen und Schwäche. Venlafaxin ist in Deutschland gegen Depression zugelassen. Ärzte können den Wirkstoff auch Krebspatienten mit Nervenschmerzen verordnen, die Kostenübernahme sollte aber mit der Krankenversicherung im Vorfeld abgeklärt werden.
  • Amitriptylin kann laut Leitlinie in Betracht gezogen werden, um Nervenschäden durch Krebsmedikamente zu behandeln. Nebenwirkungen können unter anderem Kopfschmerzen, Mundtrockenheit, Augenprobleme oder Verstopfung sein.

Antikonvulsiva
Bei Nervenschäden durch eine Chemotherapie kann man auch Mittel erhalten, die eigentlich gegen Krampfanfälle entwickelt wurden. Sie heißen Antikonvulsiva. Dazu zählen beispielsweise Gabapentin und Pregabalin. Ihr Nutzen bei Chemotherapie-bedingten neuropathischen Schmerzen konnte in Studien nicht eindeutig belegt werden. Da es wenige Behandlungsmöglichkeiten gibt, sprechen die Experten der Leitlinie eine schwache Empfehlung für diese Mittel aus. Bei Nervenschmerzen, die eine andere Ursache als eine Chemotherapie haben, haben sich die Medikamente als wirksam erwiesen. Die Mittel können Nebenwirkungen haben, wie Benommenheit, Müdigkeit, Gelenk- und Muskelschmerzen oder Magen-Darm-Beschwerden. Lamotrigin sollte bei Nervenschäden durch eine Chemotherapie nicht eingenommen werden.

Opioide
Schwache und starke Opioide sind bei der Behandlung neuropathischer Schmerzen wirksam und können bei Chemotherapie-bedingten Nervenschmerzen eingesetzt werden. In Studien zur Überprüfung der Wirksamkeit waren jedoch kaum Teilnehmer, die Nervenschmerzen aufgrund einer Chemotherapie hatten. Nachteile einer Therapie mit Opioiden sind die starken Nebenwirkungen. Mehr dazu im Text "Tumorschmerztherapie: Beschwerden lindern, Ursachen beseitigen".

Pflaster und Cremes
Ergänzend stehen Substanzen in Pflastern oder Salben zur Verfügung, die örtlich wirken, zum Teil direkt an den betroffenen Schmerzfasern. Ihr schmerzlindernder Effekt ist jedoch begrenzt. In einer Leitlinie empfehlen Fachleute Betroffenen, bei denen andere Mittel nicht geholfen haben, Pflaster mit Capsaicin 8 Prozent und Lidocain 5 Prozent. Die Pflaster darf man jedoch nur bei trockener und unverletzter Haut anwenden. Bei der Anwendung von Pflastern mit Capsaicin sollte man Unterstützung von medizinischem Fachpersonal bekommen.

Eine erste kleine Studie deutet außerdem auf den Nutzen einer Menthol-Creme hin.

Akupunktur
Als experimentelles Behandlungsverfahren für neuropathische Schmerzen gilt etwa die Akupunktur. Ob Akupunktur gegen neuropathische Schmerzen wirksam ist, ist bislang nicht sicher belegt. Dazu ist weitere Forschung notwendig.

Hörprobleme und Tinnitus - welche Möglichkeiten gibt es?

Ist die Einschränkung beim Hören ausgeprägt und anhaltend, kommt die Versorgung mit Hörgeräten infrage. Gegen Tinnitus, unangenehme Ohrgeräusche, lässt sich bislang nur wenig unternehmen.
Fachleute diskutieren, ob ein gezieltes Ablenken hilft: Für Patienten wurden gezielte Programme entwickelt, mit denen das "Nichtwahrnehmen" der Geräusche trainiert und so die Störung reduziert wird.

Was nutzen Bewegungsübungen, Physiotherapie, Ergotherapie, Elektrotherapie?

Eine Person macht Balanceübungen auf einem halbierten Ball im Trainingsraum der Physiotherapie.
Schwierigkeiten beim Gehen? Balanceübungen können helfen. [Symbolbild]
Bild: © Halfpoint - Thinkstock

Auch wenn die Möglichkeiten, ursächlich etwas gegen eine Neuropathie zu tun, begrenzt sind, so gibt es doch andere Möglichkeiten der Abhilfe. Sie zielen auf den Ausgleich der Probleme und sollen vor allem die Einschränkungen im Alltag abmildern.

Bewegungsübungen
Wer unter neuropathischen Beschwerden leidet, dem empfiehlt eine Leitlinie Bewegungsübungen. In der Leitlinie raten Fachleute zu sogenanntem sensomotorischem Training oder Vibrationstraining. Darunter fallen Gleichgewichts- und Koordinationsübungen: zum Beispiel der Vorfußstand oder Einbeinstand auf einem instabilem Untergrund, etwa einem Luftkissen, einem Kippelbrett oder einer Vibrationsplattform.

Ziel ist es, beweglich zu bleiben und die Nervenbeschwerden zu lindern. Auch die Feinmotorik von Händen und Füßen zu trainieren, kann helfen. Das Training sollte zunächst unter Anleitung stattfinden. Man kann sich dann aber auch Übungen zeigen lassen, die man selbst machen kann.

Physiotherapie
Physiotherapeutische Maßnahmen können Betroffenen dabei helfen, wieder etwas sicherer beim Gehen zu werden, ihr Gleichgewicht wiederzuerlangen und ihr Sturzrisiko zu senken. Mit seinen Physiotherapeuten kann man besprechen, welche Bewegungsübungen gut geeignet sind.

Ergotherapie
Manche Betroffenen profitieren auch von Ergotherapie. Bei der Ergotherapie kommen Hilfsmittel wie etwa Fußrollen, Bürsten oder Igelbälle zum Einsatz, oder Patienten gehen etwa durch eine mit Bohnen, Erbsen und Körnern gefüllt Wanne. Auch Schreibtraining gehört dazu. Im Rahmen der Rehabilitation erhalten Patienten zudem Hilfsmittel zum Greifen von Gegenständen. Insgesamt sollen Patienten möglichst ihre manuelle Geschicklichkeit und ihre Beweglichkeit fördern und erhalten, um Aufgaben im Alltag besser bewältigen zu können.

Elektrotherapie
Bei einer Elektrotherapie werden die Nerven elektrisch stimuliert. Dies kann etwa in Form von Teilbädern mit Gleichstrom von Armen und Unterschenkeln erreicht werden, aber auch durch eine elektrische Stimulation der Haut.

Stellenwert der genannten Verfahren - was weiß man über den Nutzen?
Die genannten Verfahren wurden bislang kaum bei Chemotherapie-bedingten Nervenschäden untersucht. Die Empfehlungen beruhen auf Erfahrungen von Fachleuten und auf Studien mit Menschen mit Nervenschäden durch andere Erkrankungen, etwa Diabetes. Aus diesen Arbeiten gibt es Hinweise auf einen Nutzen nicht-medikamentöser Verfahren wie Ergotherapie oder Physiotherapie.
Zudem geht man davon aus, dass eine Bewegungstherapie risikoarm ist und auch gegen andere Nebenwirkungen der Krebsbehandlung hilft.

Bei einigen Patienten gehen Nervenschädigungen nur langsam oder gar nicht mehr zurück. Für sie kann es hilfreich sein, wenn sie je nach Art der Beschwerden in ihrem Alltag einige Dinge beachten und Vorkehrungen treffen.

Sich schützen

Kälte vermeiden: Wer vor allem bei Kältereizen Probleme hat, sollte ungeschützt keine kalten Gegenstände anfassen und sich nicht zu lange in kalten Räumen oder bei kaltem Wetter draußen aufhalten, ohne sich entsprechend zu schützen. Gute Schuhe, Handschuhe und dicke Socken können helfen. Ohren und Nasenspitzen sollten auch so gut wie möglich vor Kälte geschützt werden. Speisen und Getränke sollten nicht zu kalt sein.

Hitze vermeiden: Man sollte keine heißen Gegenstände anfassen, wie zum Beispiel einen heißen Topf. Vor dem Baden sollte man die Wassertemperatur mit einem Thermometer überprüfen.

Verletzungen und Infektionen vorbeugen: Wer Kälte, Wärme und Schmerzen an Händen und Füßen nicht mehr wahrnimmt, ist auch durch unbemerkte Verletzungen an Händen und Füßen gefährdet. Das können etwa Schnittwunden beim Nagelschneiden sein, Verbrennungen beim Kochen, oder Druckstellen in Schuhen. Professionelle Hilfe bei der Hand- und Fußpflege, gut passende Schuhe und Strümpfe bieten Abhilfe. Bei möglichst vielen manuellen Arbeiten kann man durch Schutzhandschuhe und geeignete Hilfsmittel vorbeugen. Die Möglichkeiten sind vielfältig: Das kann zum Beispiel ein ganz normaler "Küchenhelfer" sein, mit dem sich Gläser und Flaschen leichter öffnen lassen. Das können aber auch besondere Alltagshilfen sein, zu denen man sich beim Arzt, in der Ergotherapie und im Sanitätshaus beraten lassen kann.

Für eine sichere Umgebung sorgen: Wer unsicher beim Gehen ist, sollte auf gutes Schuhwerk mit rutschfesten Sohlen achten. Die Wohnung sollte auf Stolperfallen überprüft werden. Bei ausgeprägter Gangunsicherheit nützen auch Hilfsmittel wie etwa ein Stock oder ein Rollator.

Ungünstige Sitz- und Liegepositionen meiden: Damit sich neuropathische Beschwerden nicht verstärken, sollte man auch darauf achten, ob man beim längeren Sitzen oder Liegen Nerven weiter schädigen könnte, ohne es zu spüren. Ein wichtiges Beispiel sind auch anstehende Narkosen: Betroffene sollten den Anästhesisten beim Aufklärungsgespräch unbedingt sagen, dass bereits eine Neuropathie besteht, damit bei der Lagerung ungünstige Positionen vermieden werden.

Mit Ohrgeräuschen besser leben: Wer unter klingenden Ohrgeräuschen leidet, sollte herausfinden, wann sich dieser sogenannte Tinnitus verstärkt, und wann man ihn kaum bemerkt. Manchen Betroffenen hilft es, laute Umgebungen zu vermeiden und einen Ohrenschutz zu tragen. Ist der Tinnitus dagegen besonders bei Stille belastend, kann man sich akustisch ablenken, zum Beispiel mit Musik, die als angenehm empfunden wird. Fachleute sprechen von "Schallanreicherung".
Hals-Nasen-Ohren-Ärzte können zudem dabei helfen, durch geeignete Trainingsmethoden das störende Ohrgeräusch möglichst "auszublenden".

Für die aufgeführten Ratschläge gilt: Es gibt bislang nur wenige oder gar keine Studien zu ihrem tatsächlichen Nutzen. Fachleute setzen daher meist auf Erfahrungswissen. Tipps, die von denen des Krebsinformationsdienstes abweichen, können deshalb ebenso richtig und im individuellen Fall geeignet sein.

Was sonst noch wichtig ist

Es gibt kaum Möglichkeiten, eine Neuropathie durch den Lebensstil zu beeinflussen, zum Beispiel durch eine Diät oder eine Ernährungsumstellung. Fachleute machen jedoch auf eine Ausnahme aufmerksam: Alkohol kann den Nerven schaden.
Ob man besser ganz auf Alkohol verzichtet, oder ob ein gelegentliches Glas eher nicht schadet, sollte man mit den behandelnden Ärzten besprechen.

Tür mit Schild "Sozialdienst". Im Hintergrund spricht ein älterer Mann mit einem jungen Solzialarbeiter.
Der Kliniksozialdienst informiert bei sozialrechtliche Fragen.
Bild: © Krebsinformationsdienst, DKFZ; Foto: Tobias Schwerdt

Manche Patienten sind in ihren alltäglichen Aktivitäten durch eine Neuropathie stark eingeschränkt: weil sie etwa Schwierigkeiten haben, mit ihren Händen etwas zu greifen oder etwas zu halten. Für jüngere Betroffene kann das auch heißen, ihren Beruf nicht mehr ausüben zu können. Welche Hilfe kann man bekommen? Welche Leistungen übernehmen die Krankenkasse oder die Rentenversicherung?

Ansprechpartner zu versicherungsrechtlichen Fragen, zur Beantragung einer Rehabilitation oder der Anerkennung einer Schwerbehinderung finden Betroffene im Informationsblatt "Sozialrechtliche Fragen bei Krebs" (PDF) des Krebsinformationsdienstes.

Sind Patienten durch die Nervenschädigungen so stark eingeschränkt, dass sie auf Dauer Unterstützung bei alltäglichen Verrichtungen wie dem Einkaufen, der Körperpflege und dem Ankleiden benötigen? 
Dann kann auch die Prüfung sinnvoll sein, ob Leistungen aus der Pflegeversicherung sinnvoll sind. Weitere Informationen dazu finden sich beim Krebsinformationsdienst im Text "So wird häusliche Krankenpflege organisiert: Ansprechpartner".

Krebspatient im Gespräch mit einer Psychoonkologin.
Gespräche mit geschulten Fachkräften können helfen, mit den psychischen Belastungen durch die Erkrakung umzugehen. [Symbolbild]
Bild: © Krebsinformationsdienst, DKFZ; Foto: Tobias Schwerdt

Bei einigen Patienten gehen die aufgetretenen Nervenschädigungen nur sehr langsam oder gar nicht mehr vollständig zurück. Für diese Betroffenen bedeutet das, dass sie sehr lange oder für immer mit den belastenden Symptomen leben müssen, oft mit entsprechenden Einschränkungen der Lebensqualität.

Was hilft?

Um mit diesen Belastungen besser zurecht zu kommen, kann psychosoziale oder psychoonkologische Unterstützung durch geschulte Fachleute sinnvoll sein. Der Krebsinformationsdienst hält für Krebspatienten eine bundesweite Liste mit Krebsberatungsstellen und mit niedergelassenen Psychoonkologen bereit.

Weiterführende Informationen finden Interessierte in dem kurzgefassten Informationsblatt "Psychoonkologische Hilfen: Anlaufstellen für Krebspatienten" (PDF) sowie in den Texten der Rubrik "Krankheitsverarbeitung: Welche Hilfe bietet die Psychoonkologie?".

Im Folgenden finden Sie eine Auswahl an hilfreichen Links zum Weiterlesen und Quellen, die für die Erstellung dieses Textes genutzt wurden.

Arzneimittel
Als Quelle für Aussagen zu nervenschädigenden Nebenwirkungen von Krebsmedikamenten hat der Krebsinformationsdienst aktuelle Fachinformationen der Hersteller herangezogen (Arzneimittelinformationen für Deutschland für Fachkreise zugänglich), weiter Arzneimittelinformationen in deutschen Datenbanken (vor allem PharmaNetBund), aktuelle Hinweise des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte sowie die Informationen der EU-Arzneimittelbehörde EMA. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) wird in Deutschland regelmäßig beauftragt, den Zusatznutzen neuer Medikamente bzw. den von Weiterentwicklungen zu beurteilen. Die entsprechenden Berichte sind abrufbar im Bereich "Projekte & Ergebnisse".

Leitlinien und Fachgesellschaften
Zur Erstellung dieses Textes hat der Krebsinformationsdienst Leitlinien zu einzelnen Tumorlokalisationen gesichtet. Welche Therapieverfahren neurotoxische Wirkung haben können, wird in einigen dieser aktuellen Leitlinien dargelegt. Solche Leitlinien werden in Deutschland interdisziplinär erarbeitet und vor allem von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) im Internet veröffentlicht. Eine Stichwortsuche ermöglicht das Auffinden der jeweils gesuchten Tumorentität.

Unabhängig von der Tumorart und deren Behandlung sind folgende interdisziplinären S3-Leitlinien relevant:

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie ist zu finden unter www.dgn.org. Sie bietet verschiedene Leitlinien an:

Wie Ärzte einen Tinnitus diagnostizieren und behandeln, können Sie in der S3-Leitlinie Chronischer Tinnitus der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und Kopf- und Halschirurgie von 2015 lesen.

Das Deutsche Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) bietet auf seiner Internetseite unter dem Stichwort "Expertenstandards und Auditinstrumente" Ausschnitte von Expertenstandards zu pflegerelevanten Themen wie etwa der Sturzprophylaxe.

Evidenzbasierte Empfehlungen in englischer Sprache:
Hershman DL, Lacchetti C, Dworkin RH, Lavoie Smith EM, Bleeker J, Cavaletti G, Chauhan C, Gavin P, Lavino A, Lustberg MB, Paice J, Schneider B, Smith ML, Smith T, Terstriep S, Wagner-Johnston N, Bak K, Loprinzi CL. Prevention and management of chemotherapy-induced peripheral neuropathy in survivors of adult cancers: American Society of Clinical Oncology clinical practice guideline. J Clin Oncol. 2014 Jun 20;32(18):1941-67. DOI: 10.1200/JCO.2013.54.0914. Ein Abstract und der Zugang zur vollständigen Version findet sich unter http://jco.ascopubs.org/content/32/18/1941.abstract.

Empfehlungen des Netzwerk der amerikanischen Krebszentren (National Comprehensive Cancer Network – NCCN) "Survivorship" Version 2.2017 und "Adult Cancer Pain" Version 2.2017. Für registrierte Nutzer sind diese unter www.nccn.org/professionals/physician_gls/default.aspx#supportive kostenlos einsehbar.

Die "Multinational Association of Supportive Care in Cancer" stellt auf ihren Internetseiten Informationen zu laufenden Studien bereit, unter www.mascc.org/neurological-complications.

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Fachartikel
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