Hintergrundinformationen
Seit Juli 2021 sind Styroporverpackungen für Lebensmittel in der EU verboten – allerdings trifft dies nur für ihre Herstellung zu. Handel und Gastronomie dürfen bereits hergestellte Restbestände weiterhin nutzen. Grund für das Verbot sind nicht direkte gesundheitliche Bedenken, sondern der Schutz des gesamten Ökosystems. Dies kann natürlich auf lange Sicht auch positive Auswirkungen für die menschliche Gesundheit haben.
Styropor, Polystyrol, Styrol – was ist was? Styropor ist ein Handelsname für expandiertes Polystyrol (EPS), bei dessen Herstellung Polystyrol-Granulat mit heißem Wasserdampf aufgeschäumt wird. Polystyrol (englisch: Polystyrene) ist ein Polymer von Styrol – also eine Vernetzung aus vielen Styrol-Bausteinen. Styrol, ein ungesättigter aromatischer (ringförmiger) Kohlenwasserstoff, liegt in Reinform als flüchtige Flüssigkeit vor. In sehr geringen Mengen kommt Styrol natürlicherweise in Früchten vor. Industriell wird es außer bei der Herstellung von Polystyrol und Plastik- und Gummiprodukten als Lösungsmittel eingesetzt. Für ein mögliches Krebsrisiko – auch von Styroporverpackungen – ist Styrol die entscheidende Substanz.
Daneben könnte auch Mikroplastik, das aus Styropor-Abfällen in die Umwelt freigesetzt wird, über den Umweg der Nahrungskette ein potenzielles Krebsrisiko bergen: In vorklinischen Studien führten Mikro- und Nanoplastikpartikel in Darmzellen zu einem veränderten Stoffwechsel. Dies könnte das Auftreten von Darmkrebs fördern.
Styrolbelastung in der Atemluft: Hauptsächlich Zigaretten oder Verpackungen
Informationen der Verbraucherzentrale zu Einwegplastik und Styroporbehältern für Lebensmittel
Internetseite: Einwegplastik-Verbot in der EU: Das sind die Alternativen. Stand 21.02.2024, abgerufen am 06.11.2024.
Lebensmittelforum: Sind Styroporbehälter für heiße Speisen oder die Mikrowelle geeignet? Stand 23.07.2024, abgerufen am 06.11.2024.
Hauptquelle für eine Styrolbelastung der Atemluft im Innenbereich ist Zigarettenrauch, in dem Styrol als Verbrennungsprodukt enthalten ist. Daneben wird Styrol aus Gebrauchsgegenständen wie beispielsweise Verpackungen, Kleiderbügeln oder CD-Hüllen freigesetzt. Im Außenbereich tragen Verbrennungsrückstände aus Autoabgasen und Industrieemissionen zur Styrolbelastung bei. Das über die Atemwege aufgenommene Styrol macht Schätzungen zufolge mehr als 90 Prozent der Gesamtbelastung aus.
Lebensmittel zweitgrößte Styrolquelle: Lebensmittel sind – jedoch in weit geringerem Ausmaß – die zweitgrößte Aufnahmequelle von Styrol für die Allgemeinbevölkerung. Bei der Herstellung von Polystyrol bleiben einzelne Styrol-Moleküle ungebunden im Endprodukt zurück. Dieses Styrol wird nachweislich aus Polystyrolverpackungen freigesetzt und geht auch teilweise in die darin enthaltenen Lebensmittel über. Insbesondere beim Erwärmen wird Styrol vermehrt freigesetzt, aber Lebensmittel müssen nicht zwangsläufig heiß sein, um Styrol aufzunehmen.
Daneben entstehen bei der Polystyrol-Herstellung auch Styrol-Oligomere, die aus der Verpackung ebenfalls auf Lebensmittel übergehen können. Styrol-Oligomere sind kleinere Moleküle, die sich aus wenigen Styrol-Bausteinen zusammensetzen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) beurteilte in einer Stellungnahme von April 2016 ein gesundheitliches Risiko durch Styrol-Oligomere jedoch als unwahrscheinlich.
Mögliches Krebsrisiko: Was sagen die Institutionen?
Von der Internationalen Krebsforschungsagentur (International Agency for Research on Cancer, IARC) wird Styrol mittlerweile als wahrscheinlich krebserregend eingeschätzt, also der Gruppe 2A zugeordnet. Diese Einschätzung beruht überwiegend auf Ergebnissen aus Tierversuchen und Erwägungen zum krebsauslösenden Mechanismus beziehungsweise auf Studien bei beruflicher Belastung. Konkret stammen die Daten aus der Produktion von Styrol und Polystyrol, von Glasfaser-verstärktem Plastik und von synthetischem Gummi. In diesen Studien lag die Styrolbelastung deutlich höher als bei der Allgemeinbevölkerung zu erwarten ist. Das Polymer Polystyrol ist laut IARC in Bezug auf ein Krebsrisiko nicht beurteilbar.
Laut der GESTIS-Datenbank des Instituts für Arbeitssicherheit (IFA) ist Styrol im beruflichen Bereich als "Krebserzeugend: Kategorie 5" eingestuft. In dieser Kategorie finden sich Stoffe, die ein so geringes krebserzeugendes und fruchtschädigendes Potential haben, „dass bei Einhaltung des MAK-Wertes kein nennenswerter Beitrag zum Krebsrisiko für den Menschen zu erwarten ist." Der MAK-Wert entspricht der höchsten zulässigen Konzentration einer Substanz am Arbeitsplatz.
Zu Mikro- oder Nanoplastik hat die IARC bisher noch keine Stellung genommen. Dieses Thema wird derzeit aber intensiv untersucht. Wie die Erkenntnislage derzeit zu bewerten ist, stellt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) unter anderem auf seinen Internetseiten dar.
Fazit: Verpackungen nach derzeitigem Kenntnisstand nicht direkt gefährlich
Wichtigste Quelle für eine Styrolbelastung der Allgemeinbevölkerung ist Zigarettenrauch. Aus Polystyrol-Verpackungen, im Allgemeinen als Styropor bezeichnet, kann in geringen Mengen Styrol auf Lebensmittel übergehen.
Styrol wird von der Internationalen Krebsforschungsagentur (IARC) der Weltgesundheitsbehörde (WHO) als wahrscheinlich krebserregend (Gruppe 2A) eingestuft. Diese Beurteilung beruht hauptsächlich auf Tierstudien und Studien aus dem beruflichen Bereich mit einer hohen Belastung.
Bei Kontakt mit noch genutzten Polystyrol-Verpackungen beziehungsweise dem daraus freigesetzten Styrol gilt Folgendes:
- Bisher wurde nicht nachgewiesen, dass Styrol aus Lebensmittelverpackungen beim Menschen tatsächlich Krebs auslöst oder fruchtschädigend wirkt.
- Die Einstufung von Styrol durch die IARC kann vorsorgend verstanden werden: Um mögliche Risiken zu minimieren, sollte Styrol soweit wie möglich gemieden werden. Durch das Herstellungsverbot wird dies in Zukunft zumindest für Lebensmittelverpackungen erreicht werden.
- Im Alltag lässt sich diese Empfehlung bereits umsetzen, indem man Essen oder Getränke aus Polystyrol-Verpackungen nicht regelmäßig konsumiert oder sicherheitshalber ganz meidet. Dies gilt insbesondere für Schwangere und Kinder. Noch wichtiger wäre ein Rauchverzicht, um die individuelle Styrol-Belastung zu mindern.
Zum Weiterlesen: Verwendete Quellen und vertiefende Informationen
Rechtlicher Rahmen/Behördeninformationen
IARC Working Group on the Evaluation of Carcinogenic Risks to Humans. Styrene, Styrene-7,8-oxide, and Quinoline (PDF). Lyon (FR): International Agency for Research on Cancer; 2019. (IARC Monographs on the Evaluation of Carcinogenic Risks to Humans, No. 121.)
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Gemessene Gehalte an Styrol-Oligomeren in Lebensmittelsimulanzien: Gesundheitliche Risiken sind unwahrscheinlich (PDF). Aktualisierte Stellungnahme 023/2016 des BfR vom 21. April 2016.
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Mikroplastik: Fakten, Forschung und offene Fragen. Stand 19.06.2024. Abfrage am 06.11.2024.
Fachdatenbanken
Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA). GESTIS-Stoffdatenbank.
Übersichtsarbeiten und Fachveröffentlichungen
Bonanomi M, Salmistraro N, Porro D, Pinsino A, Colangelo AM, Gaglio D. Polystyrene micro and nano-particles induce metabolic rewiring in normal human colon cells: A risk factor for human health. Chemosphere. 2022 Sep;303(Pt 1):134947. doi: 10.1016/j.chemosphere.2022.134947.