Anfrage einer Kliniksozialarbeiterin
Patienten kommen immer wieder und können nicht fassen, dass die Kosten für Zahnersatz oder Implantate nach einer Chemo- oder Strahlentherapie nicht von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden. Gibt es da wirklich keinen Weg?
Zahnersatz
Zahnersatz ist keine Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung, wie es beispielsweise Arztbesuche sind. Das bedeutet, dass die Kosten für den Zahnersatz nicht nach Vorlage der Versichertenkarte von der jeweiligen Krankenkasse automatisch mit dem Arzt abgerechnet werden. Patienten erhalten vor Beginn der Behandlung von ihrem Zahnarzt einen Heil- und Kostenplan (HKP), aus dem sich die gesamten Kosten für den Zahnersatz ergeben. Auf Grundlage des HKP legt die Krankenkasse fest, welchen Anteil der Behandlungskosten sie übernimmt.
Zuschuss der Krankenkasse: Er richtet sich nach der zahnmedizinischen Diagnose und basiert auf einer Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Bei dem Zuschuss wird nicht berücksichtigt, was die Ursache für die fehlenden oder beschädigten Zähne ist. Deshalb gelten beim Zahnersatz für Krebsbetroffene dieselben Zuzahlungsregelungen wie für alle anderen. Die Kosten für Zahnersatz werden bei Krebspatientinnen und -patienten auch dann nicht vollständig übernommen, wenn sie eine direkte Folge der Krebsbehandlung sind. Der Zuschuss der Krankenkasse beträgt die Hälfte der Kosten der Regelversorgung (siehe Infokasten zur Regelversorgung).
Bonusheft und Härtefälle: Der Zuschuss der Krankenkasse steigt, wenn die Versicherten regelmäßig zur Kontrolle beim Zahnarzt waren und dies entsprechend in ihrem Bonusheft vermerkt ist. Das Bonusheft ist beim Zahnarzt erhältlich.
Für Menschen ohne oder mit geringem Einkommen gelten zudem Härtefallregelungen. Der Zuschuss der Krankenkassen kann sich dann auf bis zu 100 Prozent der Regelversorgung erhöhen – Wünsche über die Regelversorgung hinaus müssen die Betroffenen aber auch hier vollständig selbst tragen. Für die Härtefallregelung müssen Versicherte einen separaten Antrag bei ihrer Krankenkasse stellen. Auch hier gelten keine Sonderregelungen für Krebspatienten.
Regelversorgung
Die Regelversorgung ist die vom G-BA festgelegte zahnmedizinisch notwendige Versorgung, also der zahnmedizinische Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen. Davon übernimmt sie die Hälfte der Kosten (50 %). Die andere Hälfte der Kosten müssen die Versicherten selbst tragen. Weitere Kosten kommen auf Patienten zu, wenn sie einen Zahnersatz wählen, der teurer ist als die Regelversorgung: etwa ein Keramik- oder Gold-Inlay statt eines Nicht-Edelmetalls (etwa Amalgam oder Zahnstahl).
Implantate
Implantate sind künstliche Zahnwurzeln, die im zahnlosen Kiefer direkt in den Kieferknochen eingebracht werden. Auf dem Implantat wird dann der Zahn(ersatz) befestigt. Die Kosten für Implantate und den implantatgetragenen Zahnersatz (Suprakonstruktion) werden nur in besonders schweren Fällen von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen – und nur dann, wenn Betroffene nicht mit Zahnersatz im Rahmen der Regelleistung versorgt werden können.
Besonders schwere Fälle: Wann ein besonders schwerer Fall vorliegt, regelt eine Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Für Krebspatientinnen und Krebspatienten ist dabei relevant, dass diese Richtlinie bei größeren Gesichts- oder Kieferdefekten infolge von Tumorerkrankungen oder einer dauerhaft bestehenden extremen Xerostomie (Mundtrockenheit) zur Anwendung kommt. Darüber hinaus dürfen die Krankenkassen keine Ausnahmen zulassen, in denen sie die Kosten für Implantate übernehmen. Die Krankenkassen müssen ein Gutachten erstellen lassen, um zu klären, ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt.
Folgen für Krebsbetroffene: Patienten, ohne größeren Gesichts- und Kieferdefekte oder Mundtrockenheit, bei denen dennoch kein konventioneller Zahnersatz möglich ist, müssen die Kosten für Implantate vollständig selbst bezahlen. Dies trifft z. B. Krebspatienten, die bereits vor der Erkrankung schlechte Zähne hatten oder bei denen die Tumortherapie zu Entzündungen im Mund-Rachen-Bereich führt. Sie erhalten lediglich – wie allen anderen gesetzlich Versicherten – den Festzuschuss, der nur einen Bruchteil der Implantat-Kosten deckt.
Rechtsprechung: Zu diesen ohnehin schon sehr engen Voraussetzungen für die Kostenübernahme bei Implantaten kommt hinzu, dass die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine weitere Hürde für die Kostenübernahme geschaffen hat. Danach reicht es nicht aus, dass mit der implantologischen (zahnmedizinischen) Versorgung die Kaufunktion wiederhergestellt wird. Es muss darüber hinaus ein weiteres humanmedizinisches Gesamtziel verfolgt werden ("medizinisches Gesamtziel").
Das Sozialgericht (SG) Hannover hat sich in einem aktuellen Urteil gegen die einschränkenden Voraussetzungen der G-BA-Richtlinie und des Bundessozialgerichts gestellt. Das SG Hannover sieht diese Einschränkungen nicht mit dem Gesetzeswortlaut vereinbar. Es vertritt die Ansicht, dass an besonders schwere Fälle keine zusätzlichen Anforderungen gestellt werden dürfen, da sonst viele Versicherte, bei denen eine Implantatversorgung alternativlos ist, von der Versorgung ausgeschlossen sind. Das Urteil ist zwar für andere Gerichte oder vergleichbare Fälle nicht verbindlich. Seine Argumentation kann jedoch auch in anderen Fällen gegenüber den Krankenkassen vorgebracht werden.
Zum Weiterlesen: Verwendete Quellen und vertiefende Informationen
Rechtlicher Rahmen
Die Paragraphen 28, 55 und weitere im Sozialgesetzbuch V (§§ 28, 55 ff. SGB V)
Die Richtlinie zur Bestimmung der Befunde und der Regelversorgungsleistungen, für die Festzuschüsse nach den Paragraphen 55 und 56 im Sozialgesetzbuch V (§§ 55, 56 SGB V) zu gewähren sind (Festzuschuss-Richtlinie). Die Richtlinie entscheidet auch über die Höhe der auf die Regelversorgungsleistungen entfallenden Beträge nach § 56 Absatz 4 SGB V. Sie ist zu finden unter: www.g-ba.de/richtlinien/27/
Die Richtlinie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragsärztliche Versorgung ist abrufbar unter: www.g-ba.de/richtlinien/32/
Urteile
Urteil des Bundessozialgerichts vom 04.03.2014, Az.: B1 KR 6/13 R unter: http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&nr=13366
Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 12.04.2019, Az.: S 89 KR 434/18 unter: https://openjur.de/u/2205684.html
Für (Zahn-)Ärztinnen und (Zahn-)Ärzte
Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung stellt einen "Leitfaden für den implantologischen Gutachter" unter www.kzbv.de/leitfaeden.771.de.html zur Verfügung.
Für Ihre Patientinnen und Patienten
Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung informiert auf Ihrer Homepage zu Kosten für Implantate und zum Zahnersatz auf Implantaten unter: www.kzbv.de/implantate.323.de.html
Die (Landes-)Zahnärztekammern und die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen bieten eine kostenlose und unabhängige Beratung für Patienten und Patientinnen an. Regionale Kontaktdaten unter: www.patientenberatung-der-zahnaerzte.de/patienten-im-mittelpunkt/