Grippeimpfung unter Immuntherapie

Datenlage bislang begrenzt

Erstellt am:

Bitte beachten Sie:
Diese Nachricht ist bereits älter als 180 Tage. Unsere News werden NICHT NACHTRÄGLICH AKTUALISIERT. Sie haben Fragen zu diesem Thema? Unsere Ärztinnen und Ärzte stehen Ihnen gerne zur Verfügung. Sie erreichen uns am Telefon und per E-Mail.

Jedes Jahr ab Oktober ruft die Ständige Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) dazu auf, Krebspatienten gegen die saisonale Grippe zu impfen1. Eine Grippeimpfung erfolgt mit inaktivierten Influenzaviren. Sie gilt bei immungeschwächten Krebspatienten unter einer Chemotherapie oder Strahlentherapie als sicher und kann helfen, schwere Grippeverläufe zu vermeiden. Doch wie sieht es unter einer Immuntherapie mit Checkpoint-Hemmern aus, bei der die Immunabwehr nicht geschwächt, sondern verstärkt wird? krebsinformationsdienst.med hat aktuelle Studiendaten dazu für Sie zusammengestellt.

Jährliche Grippeimpfung: Bei immungeschwächten Krebspatienten sicher und wirksam

Grippeimpfung, © Krebsinformationsdienst, Deutsches Krebsforschungszentrum
Impfspritze mit Schirm hält Gripeviren auf
Bild: Grippeimpfung bei Krebspatienten empfohlen

Herkömmliche Krebstherapien wie Chemotherapie und Strahlentherapie, aber auch die Tumorerkrankung selbst schwächen häufig das Immunsystem. Betroffene können dann durch eine Influenzainfektion schwer erkranken. Dies kann unter Umständen auch eine notwendige Krebsbehandlung verzögern.

Impfungen mit Totimpfstoffen gelten während einer herkömmlichen Krebsbehandlung als sicher. Sie sind möglicherweise aber nur eingeschränkt wirksam, wenn das geschwächte Immunsystem keinen ausreichenden Schutz aufbauen kann.

Laut einer aktuellen Metaanalyse profitieren immungeschwächte Krebspatienten insgesamt von der Grippeimpfung mit dem inaktivierten Influenza-Spaltimpfstoff: Die Impfung kann die Infektionsrate verringern und bei einer Influenzainfektion den Erkrankungsverlauf lindern4.

Schutzimpfungen bei Checkpoint-Blockade: Wie reagiert das Immunsystem?

Lebendimpfstoffe kontraindiziert

Generell gilt für immungeschwächte Krebspatienten: Lebendimpfstoffe sind kontraindiziert, da sich die abgeschwächten Erreger ungehindert vermehren könnten. Ausnahmen sind im begründeten Einzelfall unter individueller Risiko-Nutzen-Abschätzung möglich.

Bei Krebsbetroffenen, die zusätzlich oder alternativ zu herkömmlichen Krebstherapien einen Immun-Checkpoint-Hemmer erhalten, ist bei Schutzimpfungen zu beachten: Checkpoint-Hemmer führen aufgrund ihres Wirkmechanismus auch bei immungeschwächten Krebspatienten eher zu einer verstärkten Immunantwort.

Totimpfstoffe: Bei einer Impfung mit inaktivierten Impfstoffen unter Checkpoint-Blockade stellt sich daher vor allem die Frage: Treten Nebenwirkungen durch eine möglicherweise "überschießende" Immunreaktion auf?

Lebendimpfstoffe: Zur Impfung mit abgeschwächten (attenuierten) Lebendimpfstoffen unter Immuntherapie liegen keine Daten vor. Lebendimpfungen werden unter Checkpoint-Inhibitoren nicht empfohlen.

Daten zur Grippeimpfung unter Checkpoint-Hemmern

Häufigkeit von Nebenwirkungen bei Checkpoint-Hemmern

Neue Daten zur Häufigkeit und Ausprägung immunologisch vermittelter unerwünschter Effekte ("immune-related adverse events" [irAE]) bei Patienten unter PD1-/PD-L1-Hemmern zeigen11: Bei zwei von drei Patienten entwickeln sich irAEs. Meist sind diese mild bis moderat ausgeprägt. Bei etwa 14 % der Patienten treten irAEs Grad 3/4 auf.

Die duale Checkpoint-Blockade (CTLA-4 + PD-1/PD-L1) ist deutlich toxischer. Grad 3/4 Nebenwirkungen betreffen hier 30 – 50 % der Patienten.

Bislang gibt es kaum belastbare Daten zur Grippeimpfung bei Krebspatienten unter Checkpoint-Blockade. Die Studienergebnisse sind aufgrund der meist kleinen Patientenzahlen und dem unterschiedlichen Studiendesign uneinheitlich und teilweise widersprüchlich.

Daten zur Sicherheit: Die Impfung mit inaktivierten Influenzaviren erwies sich unter der Immuntherapie überwiegend als "sicher" 7-9,12-16: Immunvermittelte Ereignisse (irAEs) nach Checkpoint-Blockade traten bei geimpften Patienten nicht häufiger auf und waren auch nicht schwerwiegender als bei ungeimpften Betroffenen. Dies galt unabhängig von der Art des Checkpoint-Hemmers und der zugrundeliegenden Krebserkrankung. Lediglich in einer kleinen Studie aus der Schweiz kam es nach der Grippeimpfung deutlich häufiger zu immunvermittelten Ereignissen (irAEs) als in einer historischen Vergleichsgruppe ohne Impfung10. Wichtig zu wissen: In keiner Studie kam es zu Todesfällen im Zusammenhang mit der Grippeimpfung.

Daten zur Wirksamkeit: Wurden nach der Impfung spezifische Antikörper gegen Influenzaviren bestimmt, waren diese bei den meisten Patienten nachweisbar7,10,12,16. Wie gut die Grippeimpfung eine Grippeinfektion beziehungsweise das Auftreten von Grippebeschwerden unter Checkpoint-Blockade verhindern kann, war hingegen weniger eindeutig. Einer Studie zufolge wurden bei Geimpften im Vergleich zu Nicht-Geimpften im weiteren Verlauf sogar häufiger typische grippeartige Beschwerden beobachtet7. Die Autoren führten dies auf eine gesteigerte Aktivität spezifischer T-Zellen nach der Grippeimpfung zurück.

Daten zum Einfluss auf die Krebserkrankung: In keiner Studie hatte die Impfung einen negativen Effekt auf den Erfolg der Krebsbehandlung. In einigen Studien zeigte sich sogar ein Trend zu einem verbesserten Gesamtüberleben bei grippegeimpften Patienten im Vergleich zu Nicht-Geimpften. Auch für diesen Effekt könnte eine durch die Impfung zusätzlich gesteigerte T-Zell-Aktivität verantwortlich sein7.

Fazit für die Praxis

Zur Grippeimpfung unter einer Immuntherapie mit Checkpoint-Hemmern gibt es bislang keine offiziellen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut. Auf der Grundlage der bislang vorliegenden Daten raten deutsche und internationale Experten2,3,5,6:

  • Patienten, die aufgrund ihrer Krebserkrankung mit Checkpoint-Hemmern behandelt werden, können eine Grippeimpfung erhalten.
  • Arzt und Patient müssen gemeinsam Nutzen und Risiken der Grippeimpfung besprechen und individuell gegeneinander abwägen.
  • Weitere Daten aus klinischen Studien sind notwendig, um künftig die Sicherheit und Effektivität von Schutzimpfungen unter einer Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren besser einordnen zu können.

In der aktuellen Grippesaison 2019/20 wird die Grippeimpfung unter Checkpoint-Blockade beispielsweise in einer italienischen Multizenterstudie weiter untersucht (INVIDIa2)6.

Zum Weiterlesen: Verwendete Quellen und vertiefende Informationen

Leitlinien, systematische Übersichtsarbeiten und Empfehlungen von Expertengruppen

1 Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut – 2019/2020. www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2019/Ausgaben/34_19.pdf?__blob=publicationFile (PDF)

2 DGHO 2019. Impfungen bei Tumorpatienten. www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/impfungen-bei-tumorpatienten/@@guideline/html/index.html

3 Rieger CT, Liss B, Mellinghoff S, Buchheidt D, Cornely OA, Egerer G, Heinz WJ, Hentrich M, Maschmeyer G1, Mayer K et al. (2018). Anti-infective vaccination strategies in patients with hematologic malignancies or solid tumors—Guideline of the Infectious Diseases Working Party (AGIHO) of the German Society for Hematology and Medical Oncology (DGHO). Annals of Oncology, Volume 29, Issue 6, June 2018, Pages 1354–1365. doi.org/10.1093/annonc/mdy117.

4 Bitterman R, Eliakim-Raz N, Vinograd I, Zalmanovici Trestioreanu A, Leibovici L, Paul M (2018). Influenza vaccines in immunosuppressed adults with cancer. Cochrane Database Syst Rev. 2018 Feb 1;2:CD008983. doi: 10.1002/14651858.CD008983.pub3.

5 NCCN 2019: Management of Immune Checkpoint Inhibitior-Related Toxicities. Version 2.2019 (4/2019).

Übersichtsarbeiten und Fachveröffentlichungen

6 Bersanelli M, Buti S, De Giorgi U, Di Maio M, Giannarelli D, Pignata S, Banna GL. (2019). State of the art about influenza vaccination for advanced cancer patients receiving immune checkpoint inhibitors: When common sense is not enough. Critical Reviews in Oncology / Hematology 139 (2019) 87–90. doi: 10.1016/j.critrevonc.2019.05.003.

7 Bersanelli M, Giannarelli D, Castrignanò P, Fornarini G, Panni S, Mazzoni F, Tiseo M, Rossetti S, Gambale E, Rossi Eet al. (2018). Influenza Vaccine Indication During anticancer therapy with Immunecheckpoint inhibitors: a transversal challenge. The INVIDIa study. Immunotherapy. 2018 Oct;10(14):1229-1239. doi: 10.2217/imt-2018-0080.

8 Chong CR, Park VJ, Cohen B, Postow MA, Wolchok JD, Kamboj M (2019). Safety of Inactivated Influenza Vaccine in Cancer Patients Receiving Immune Checkpoint Inhibitors (ICI). Clin Infect Dis. 2019 Mar 15. pii: ciz202. doi: 10.1093/cid/ciz202.

9 Gwynn ME, DeRemer D2, Saunders KM, Parikh J, Bollag RJ, Clemmons AB (2019). Immune-mediated adverse events following influenza vaccine in cancer patients receiving immune checkpoint inhibitors. J Oncol Pharm Pract. 2019 Aug 31:1078155219868758. doi: 10.1177/1078155219868758.

10 Läubli H, Balmelli C, Kaufmann L, Stanczak M, Syedbasha M, Vogt D, Hertig A, Müller B, Gautschi O, Stenner F et al. (2018) Influenza vaccination of cancer patients during PD-1 blockade induces serological protection but may raise the risk for immune-related adverse events. J Immunother Cancer. 2018 May 22;6(1):40. doi: 10.1186/s40425-018-0353-7.

11 Martens UM, Akkad J, Weiss M (2019). Nebenwirkungen bei Immuncheckpointinhibitoren (ICI). Spektrum, Diagnostik und praktisches Therapiemanagement. best practice onkologie 2019 · 14:338–352. doi.org/10.1007/s11654-019-00165-810.

12 Weber JS, Hamid O, Chasalow SD, Wu DY, Parker SM, Galbraith S, Gnjatic S, Berman D. (2012). Ipilimumab increases activated T cells and enhances humoral immunity in patients with advanced melanoma. J Immunother. 2012 Jan;35(1):89-97. doi: 10.1097/CJI.0b013e31823aa41c.

13 Wijn DH, Groeneveld GH, Vollaard AM, Muller M, Wallinga J, Gelderblom H, Smit EF (2018). Influenza vaccination in patients with lung cancer receiving anti-programmed death receptor 1 immunotherapy does not induce immune-related adverse events. Eur J Cancer. 2018 Nov;104:182-187. doi: 10.1016/j.ejca.2018.09.012.

Kongress-Abstracts

14 Chong CR, Park V, Harding JJ, Brite J, Wolchok JD, Kamboj M (2018). Safety of influenza vaccination in patients undergoing immunotherapy treatment for advanced cancer. DOI: 10.1200/JCO.2018.36.15_suppl.e15073 Journal of Clinical Oncology 36, no. 15_suppl.

15 Gopalakrishnan R, Johnson DB , York S, Neuss MN, Osterman TJ, Chism DD, Ancell KK, Mayer IA, Abramson VG, Levy MA,et al. (2018). Impact of the influenza vaccination on cancer patients undergoing therapy with immune checkpoint inhibitors (ICI). DOI: 10.1200/JCO.2018.36.15_suppl.3053 Journal of Clinical Oncology 36, no. 15_suppl (May 2018) 3053-3053.

16 Kanaloupitis DK, Chandran A, Ralph A, Thompson R, Richards JM, Hallmeyer S (2017). Safety and efficacy of concurrent administration of influenza vaccine in patients undergoing anti-PD-1 immunotherapy. DOI: 10.1200/JCO.2017.35.15_suppl.e14607 Journal of Clinical Oncology 35, no. 15_suppl.

17 Schenk EL (2017). Clinical outcomes of patients on check point inhibitor therapy who receive routine vaccinations. J Clin Oncol. 2017;35:e14597.

Fragen Sie uns. Wir sind für Sie da.

Ärztinnen und Ärzte beantworten Ihre Fragen zu Krebs am Telefon oder per E-Mail – kostenfrei.
Unsere Informationen sind verständlich, aktuell, wissenschaftlich fundiert und qualitätsgesichert.

Ärztlicher Telefondienst

Telefonisch erreichen Sie uns unter 0800 420 30 40 täglich von 8 bis 20 Uhr. Ihr Anruf ist innerhalb Deutschlands kostenlos.

Wir rufen Sie gerne zurück

Sie haben uns nicht erreicht? Oder wollen in einem festen Zeitraum mit uns telefonieren? Dann
können Sie mit unseren Ärztinnen und Ärzten einen Rückruf vereinbaren.

  • Pflichtfelder Bitte hinterlegen Sie eine Telefonnummer unter der Sie persönlich gut zu erreichen sind, wählen Sie unter "Uhrzeit" den Zeitraum, in dem Sie zurückgerufen werden möchten und stimmen Sie unseren Datenschutzbestimmungen zu.

Ärztlicher E-Mail-Service

Schriftliche Anfragen senden Sie bitte entweder