Multimedikation: Risiken
Multimedikation und Polypharmazie
Werden verschiedene Arzneimittel gleichzeitig angewendet, spricht man von "Multimedikation". Ein synonymer Fachbegriff dafür ist "Polypharmazie". Ab wie vielen Medikamenten man von Multimedikation oder Polypharmazie spricht, ist nicht einheitlich definiert. Das Spektrum reicht von mehreren (> 1) Medikamenten innerhalb einer Zeitspanne, bis hin zu einer bestimmten Anzahl verschiedener gleichzeitig verordneter Arzneimittel (z. B. > 5 oder 10).
Multimedikation kann zu verschiedenen Problemen in der Arzneimitteltherapie von Krebspatienten führen. Ganz allgemein steigt durch jedes zusätzliche Medikament das Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW), Medikationsfehler und Arzneimittelinteraktionen. Darüber hinaus sinkt die Therapietreue (Compliance, Adhärenz) mit der Anzahl der Medikamente und der Komplexität der Einnahmevorschriften.
Eine aktuelle Übersichtsarbeit eines US-amerikanischen Autorenteams weist außerdem darauf hin, dass Polypharmazie oftmals mit einem ungünstigen Therapieergebnis von Krebspatienten verbunden ist: So scheint beispielsweise das Ausmaß der Multimedikation mit postoperativen Komplikationen oder der Länge des Krankenhausaufenthaltes zusammenzuhängen.
Laut der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) ist bei der Einnahme von mehr als fünf Wirkstoffen nicht mehr vorhersehbar, wie diese im Organismus wirken, sich gegenseitig beeinflussen oder auch unerwünschte Nebeneffekte auslösen. Umso wichtiger ist es, hier nicht den Überblick zu verlieren und die Zahl der verordneten und vom Patienten selbst besorgten Arzneimittel im Blick zu behalten.
Bundeseinheitlicher Medikationsplan: Soll für mehr Durchblick sorgen
Das "Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen" (E‐Health‐Gesetz) beinhaltet unter anderem die Realisierung eines bundeseinheitlichen Medikationsplans. Ziel des Ganzen: Indem alle Medikationsdaten eines Patienten zusammengeführt werden, sollen Wechselwirkungen so weit wie möglich vermieden und so die Arzneimitteltherapiesicherheit erhöht werden. Der bundeseinheitliche Medikationsplan ist das wichtigste Ergebnis des Aktionsplans des Bundesministeriums für Gesundheit zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) in Deutschland.
Laut Sozialgesetzbuch V (SGB V) haben Versicherte, die gleichzeitig mindestens drei verordnete Arzneimittel anwenden, ab dem 1. Oktober 2016 Anspruch auf einen Medikationsplan. Diesen erstellt ein an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmender Arzt in Papierform. In dem Medikationsplan soll mit Hinweisen zur Anwendung folgendes dokumentiert werden:
- Arzneimittel, die dem Patienten verordnet worden sind.
- Arzneimittel, die der Patient ohne Verschreibung anwendet.
- Medizinprodukte, die für die Arzneimitteltherapie relevant sind (etwa Applikationshilfen).
Das Sozialgesetzbuch schreibt darüberhinaus vor, dass der verschreibende Arzt diesen Medikationsplan aktualisieren muss, sobald er die Medikation des Patienten ändert. Auch Apotheken müssen - auf Wunsch des Patienten - den Medikationsplan bei Abgabe eines Arzneimittels entsprechend aktualisieren.
In einem nächsten Schritt sollen die Versicherten künftig Anspruch haben, die Daten des Medikationsplans über die elektronische Gesundheitskarte zu speichern.
Zum Weiterlesen: Verwendete Quellen und vertiefende Informationen
Leitlinien und systematische Übersichtsarbeiten
Was zu beachten ist, wenn Patienten mehrere Arzneimittel gleichzeitig einnehmen, erläutert die hausärztliche S2e-Leitlinie "Multimedikation" der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM)
Weitere Übersichtsarbeiten und Fachveröffentlichungen
Nightingale G et al. (2015). Evaluation of a pharmacist-led medication assessment used to identify prevalence of and associations with polypharmacy and potentially inappropriate medication use among ambulatory senior adults with cancer. J Clin Oncol. 33(13):1453-9. doi: 10.1200/JCO.2014.58.7550.
Sharma M et al. (2016). Polypharmacy and potentially inappropriate medication use in geriatric oncology. J Geriatr Oncol. doi: 10.1016/j.jgo.2016.07.010. [Epub ahead of print]
Hiller B (2013). Selbstmedikation bei Krebspatienten. Krankenhauspharmazie. 34(1). 2-6.
Rechtlicher Rahmen/Behördeninformationen
Der Regelungen zum Medikationsplan sind im Sozialgesetzbuch V unter § 31a zu finden: www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/BJNR024820988.html
Informationen von Fachgesellschaften
Detaillierte Informationen zum Aktionsplan des Bundesministeriums für Gesundheit zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) in Deutschland finden sich unter www.ap-amts.de/. Die Beschreibung und Inhalte des Medikationsplans wurden durch die Koordinierungsgruppe Aktionsplan AMTS erarbeitet. Zu der Koordinierungsgruppe gehören die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA), die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS), das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), die deutsche Krebsgesellschaft (DKG), der deutsche Pflegerat (DPR), die kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sowie Patientenverbände.