Neuerungen beim fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom
In der letzten Dekade war die zielgerichtete Therapie Goldstandard für Patienten, deren Tumor nicht operabel war oder Metastasen gebildet hatte. Seit 2016 hält die moderne Immuntherapie mit Checkpoint-Hemmern auch bei Nierenkrebs Einzug. Die herkömmliche Zytokintherapie hingegen ist schon seit vielen Jahren in den Hintergrund getreten.
Einführung der modernen Immuntherapie: Im April 2016 wurde der erste Immun-Checkpoint-Inhibitor beim fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom eingeführt. Der gegen das Oberflächenprotein PD-1 gerichtete Antikörper Nivolumab wurde als Monotherapie für die Zweitlinie zugelassen, also nach Versagen einer Vortherapie.
Duale Immun-Checkpoint-Blockade: Seit Januar 2019 kann der Arzt die Immuntherapie bereits in der Erstlinie einsetzen. Zugelassen wurde die Kombinationstherapie Nivolumab plus Ipilimumab, ein CTLA-4 gerichteter Antikörper. Die duale Checkpoint-Blockade zeigt allerdings nur in der intermediären und ungünstigen Risikogruppe Vorteile gegenüber der zielgerichteten Therapie.
Kombination Checkpoint-Inhibitor plus zielgerichtete Therapie: Ein neues Wirkprinzip in der immunonkologischen Behandlung von Nierenkrebs besteht darin, die bewährten zielgerichteten Substanzen mit einem Checkpoint-Hemmer zu kombinieren. Beispielhaft seien der Tyrosinkinase-Hemmer Axitinib plus Pembrolizumab (Anti-PD-1-Antikörper) oder Axitinib plus Avelumab (Anti-PD-L1-Antikörper) genannt. Noch sind solche Kombinationen lediglich in den USA zugelassen. In Europa werden Zulassungsanträge aktuell geprüft.
Forschungsfragen für das fortgeschrittene Nierenzellkarzinom
Die beschriebenen Kombinationstherapien aus zwei Immun-Checkpoint-Inhibitoren beziehungsweise aus Checkpoint-Inhibitor und zielgerichtetem Medikament scheinen besser zu wirken als die bisherige Standardtherapie – bei in der Regel guter Verträglichkeit. Noch ist unklar, welche Patienten von welcher Therapiestrategie am meisten profitieren. Folgende Therapiestrategien werden derzeit in hochwertigen klinischen Studien untersucht:
- Für Patienten mit aggressiven Subtypen (nicht-klarzellige Tumoren, sarkomatoide Differenzierung) scheint die Kombinationstherapie besonders nützlich zu sein. Noch nicht vollständig bekannt sind jedoch die molekularen Mechanismen, auf denen das verbesserte Ansprechen – im Vergleich zur Monotherapie – beruht.
- Ebenso wissenschaftlich nicht geklärt ist, welche Behandlungssequenz für den individuellen Patienten optimal ist. Rückt die Kombinationstherapie in die Erstlinie vor, ist derzeit nicht sicher, wie sich das auf die Wirksamkeit von Folgetherapien auswirkt. Daher werden verschiedene Strategien in prospektiven Studien miteinander verglichen.
- Die Therapieentscheidung hängt von der individuellen Prognosegruppe ab. Bislang basiert die Prognoseklassifikation allein auf klinischen Kriterien wie dem gesundheitlichen Allgemeinzustand und Blutwerten. Aktuell suchen Forscher zusätzlich nach geeigneten molekularen Markern, die das Ansprechen auf bestimmte Therapieansätze vorhersagen können. Als vielversprechend gelten prädiktive Biomarker wie PD-L1-Expression, Tumormutationslast und spezifische genetische Veränderungen.
Fazit für die Praxis
Kombinationstherapien sind auf dem Vormarsch: Die deutsche S3-Leitlinie "Nierenzellkarzinom" – erstmals 2015 veröffentlicht und 2017 überarbeitet – wird derzeit erneut aktualisiert. Leitlinienempfehlungen zu verschiedenen Kombinationstherapien beim fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom sind im Update 2019 zu erwarten.
Da die Therapieevolution bei Nierenkrebs – wie bei anderen Tumorarten auch – an Tempo zunimmt, soll die Nierenkrebsleitlinie künftig "in das Konzept einer Living Guideline (übersetzt lebende Leitlinie) überführt werden und somit fortlaufend aktualisiert werden", so die Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF).
Nutzen-Risiko-Abwägung bei älteren Patienten: In Deutschland steigen die Erkrankungsraten für das Nierenzellkarzinom bis zum 80. Lebensjahr an. Gleichzeitig weisen Studien darauf hin, dass die moderne Immuntherapie bei älteren Patientinnen und Patienten genauso gut wirksam und verträglich ist wie bei jüngeren.
Trotzdem gilt es, mögliche Nebenwirkungen im Alter zu bedenken. Unter einer Kombinationstherapie treten Nebenwirkungen häufiger auf als unter Monotherapie. Ab dem Schweregrad 3 reicht es in der Regel nicht aus, lediglich die Checkpoint-Hemmer abzusetzen. Vielmehr kann eine hochdosierte Kortisontherapie notwendig werden.
Daher ist es wichtig, dass Ärzte und Betroffene bereits bei der Therapieplanung sorgfältig Nutzen und Risiken einer Checkpoint-Hemmer-basierten Behandlung abwägen – darauf weist auch ein aktuelles Positionspapier1 der Europäischen Gesellschaft für Urologie hin. Im Einzelfall kann es sinnvoll sein, eine Monotherapie mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren oder zielgerichteten Medikamenten der Kombinationstherapie vorzuziehen.
Zum Weiterlesen: Verwendete Quellen und vertiefende Informationen
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2019 ASCO Annual Meeting Abstracts. https://abstracts.asco.org/239/IndexView_239.html
Leitlinien und systematische Übersichtsarbeiten
Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Nierenzellkarzinoms, Langversion 1.2, 2017, AWMF Registernummer: 043/017OL, www.leitlinienprogramm-onkologie.de/Nierenzellkarzinom.85.0.html
Rechtlicher Rahmen/Behördeninformationen
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Leitlinien-Detailansicht Nierenzellkarzinom, Diagnostik, Therapie und Nachsorge. www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/043-017OL.html
Krebs in Deutschland für 2013/2014. Gemeinsame Publikation der Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister e.V. (GEKID) und des Zentrums für Krebsregisterdaten (ZfKD) im Robert Koch-Institut. www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebs_in_Deutschland/krebs_in_deutschland_node.html