Wann bereuen Krebserkrankte eine Therapie-Entscheidung?

"Decision Regret" bei verschiedenen Krebsarten

Erstellt am:

Manchmal kommt es vor, dass Patientinnen und Patienten mit einer Therapie-Entscheidung unzufrieden sind. Wir haben uns am Beispiel einiger Krebsarten angeschaut, welche Faktoren ein mögliches Bereuen beeinflussen können.

Je nach Erkrankungssituation kann es sein, dass sich Krebspatientinnen und -patienten zwischen verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten entscheiden können. Solche Entscheidungen sind nicht immer einfach zu treffen – und manchmal sind Betroffene im Nachhinein unzufrieden mit der getroffenen Wahl.

Verschiedene Studien haben sich mit der Frage befasst, wie häufig und in welchen Situationen Betroffene eine Therapieentscheidung bereuen oder bedauern.

Grafische Darstellung einer Waage: auf der linken Waagschale liegen Faktoren, die die Therapiewahl eines Patienten oder einer Patientin mit Krebs beeinflussen können wie etwa persönliche Lebensumstände oder Bedürfnisse. Auf der rechten Waagschale stehen Faktoren, die eine Ärztin oder ein Arzt beisteuern kann: zum Beispiel Fachwissen oder die eigene Erfahrung.
Beim sogenannten Shared-Decision-Making treffen Betroffene und behandelnde Ärztinnen und Ärzte gemeinsam Entscheidungen.
Bild: © Krebsinformationsdienst, DKFZ; erstellt mit BioRender.com

Decision Regret: Studienlage bei verschiedenen Krebsarten

Lexikon

Decision Regret: Das Bereuen einer Entscheidung wird auch mit dem englischen Begriff "Decision Regret" bezeichnet. In der Literatur wird er oft so definiert, dass Menschen das Gefühl haben, ihre jetzige Situation wäre besser, wenn sie sich anders entschieden hätten.

Im Folgenden sind beispielhaft einige Studienergebnisse dargestellt. In den Studien zeigte sich, dass die meisten Menschen im Nachhinein insgesamt zufrieden mit ihren Therapieentscheidungen waren. Dennoch kann es bei verschiedenen Krebsarten durchaus vorkommen, dass Patientinnen und Patienten ein Bedauern ("Decision Regret") über ihre getroffene Wahl empfinden.

Decision Regret bei Blasenkrebs1: In einer aktuellen Arbeit untersuchten die Forschenden, ob Patientinnen und Patienten mit Blasenkrebs ihre Entscheidungen für eine bestimmte Therapie bereuten. Dabei zeigte sich, dass etwa 15 von 100 Betroffenen ein moderat bis stark ausgeprägtes Decision Regret empfanden; der Großteil der Befragten war jedoch mit der Therapieentscheidung zufrieden.

Betroffene bedauerten ihre Therapieentscheidung häufiger, wenn sie eine vergleichsweise radikale Therapie wie die Entfernung der Blase erhielten oder wenn die Therapie nicht so erfolgreich war wie erhofft.

Decision Regret bei frühem Prostatakrebs2: In einer Übersichtsarbeit fanden die Autorinnen und Autoren heraus, dass etwa 20 von 100 Patienten die getroffene Therapieentscheidung bedauerten. Das betraf eher Patienten, die stärkere Nebenwirkungen und Einschränkungen aufgrund der erhaltenen Therapien erlebten.

Eine Rolle könnte hierbei spielen, dass bei frühem Prostatakrebs oftmals mehrere verschiedene Therapiemöglichkeiten infrage kommen. Das kann eine Entscheidung zusätzlich erschweren.

Decision Regret bei Brustkrebs3: In einer schon etwas älteren Übersichtsarbeit untersuchten die Autorinnen und Autoren den Decision Regret bei verschiedenen operativen Brustkrebs-Behandlungen. Insgesamt war in den meisten Studien ein geringes Bereuen von Therapieentscheidungen beobachtet worden; die Einzelstudien waren jedoch nur bedingt vergleichbar. Ein möglicher Faktor, der ein höheres Bedauern begünstigt, waren laut den Autoren unzureichende Informationen über die anstehende Operation, wie etwa ihren Nutzen und mögliche Risiken.

Insgesamt lassen sich einige Erkenntnisse zusammenfassen:

  • Patientinnen und Patienten scheinen eine Therapie seltener zu bereuen, wenn sie umfassend in die Entscheidung einbezogen wurden.
  • Auch die Auswirkungen der durchgeführten Therapie können einen Einfluss haben: So berichteten Betroffene häufiger, eine Entscheidung zu bereuen, wenn es sich um eine sehr weitreichende Therapie mit vielen Nebenwirkungen, Langzeit- oder Spätfolgen handelte.
  • Ein Fortschreiten der Erkrankung trotz Therapie kann dazu führen, dass Betroffene eine Entscheidung eher bedauern.

Wie vergleichbar sind die Ergebnisse?

Die hier vorgestellten Studien zeigen einen Ausschnitt für einige häufige Krebsarten und können einen Eindruck vermitteln, wie oft und in welchen Situationen es vorkommen kann, dass Patientinnen und Patienten eine Entscheidung bedauern.

Therapieentscheidungen sind jedoch sehr individuell und werden durch viele Faktoren beeinflusst. Die vorgestellten Ergebnisse sind daher nicht einfach auf andere Krebsarten übertragbar. Für Betroffene ist auch immer das Gespräch mit ihren behandelnden Ärztinnen und Ärzten wichtig.

Was lässt sich tun, um ein "Decision Regret" zu verhindern?

Verschiedene Strategien können Betroffenen dabei helfen, dass sie mit einer Therapieentscheidung zufriedener sind.

Vor einer Entscheidung: Informationen können Krebspatientinnen und -patienten helfen, auf die Auswirkungen einer Entscheidung vorbereitet zu sein. Die Autorinnen und Autoren verschiedener Studien empfehlen Ärztinnen und Ärzten daher, Betroffene aktiv in die Entscheidungsfindung einzubinden und mit Materialien wie Entscheidungshilfen zu unterstützen.

Therapieentscheidungen sollte man zwar nicht langfristig hinauszögern oder vermeiden – etwa aus Sorge vor einer vermeintlich falschen Entscheidung. Aber Patientinnen und Patienten müssen die Behandlungsentscheidungen auch nicht überstürzen. Krebs ist meistens keine akute Erkrankung, die sofortiges Handeln erfordert. In der Regel ist die Zeit da, damit sich Betroffene umfangreich über mögliche Folgen und Nebenwirkungen einer Therapie informieren können. Auch ist es möglich, eine Zweitmeinung einzuholen.

Nach der Entscheidung: Hadert jemand sehr mit einer getroffenen Entscheidung, können Fachleute wie Psychoonkologinnen und Psychoonkologen unterstützen. Denn: Auch, wenn eine Entscheidung nicht rückgängig gemacht werden kann, gibt es doch Strategien, um damit besser umzugehen.

Wer stark unter Behandlungsfolgen leidet, kann zudem mit seinem Ärzteteam besprechen, ob es Möglichkeiten gibt, diese zu behandeln.

Fazit für die Praxis

Damit krebskranke Patientinnen und Patienten für sich gute Entscheidungen treffen können, benötigen sie umfangreiche Informationen zu ihrer Situation und zu möglichen Konsequenzen einer Entscheidung.

Hier sind auch die behandelnden Ärztinnen und Ärzte gefordert, Betroffene gut aufzuklären und einzubinden, damit Entscheidungen gemeinsam getroffen werden können.

Darüber hinaus können bei schwierigen Entscheidungssituationen auch Krebsberatungsstellen oder Psychoonkologinnen und Psychoonkologen in der Klinik unterstützen.

Zum Weiterlesen

Mehr Informationen zu den Therapien bei den angesprochenen Krebsarten finden Sie in unseren Texten zu Blasenkrebs, Prostatakrebs und Brustkrebs.

Quellen und Links (Auswahl)

1Absolom K, Rogers Z, Catto JWF, Bottomley S, Glaser A, Downing A; Life and Bladder Cancer Study Group. Decision Regret Regarding Treatment Choices 1 Year After a New Diagnosis of Bladder Cancer. Eur Urol. 2024 May 11:S0302-2838(24)02346-7. doi: 10.1016/j.eururo.2024.04.022.

2Fanshawe JB, Wai-Shun Chan V, Asif A, Ng A, Van Hemelrijck M, Cathcart P, Challacombe B, Brown C, Popert R, Elhage O, Ahmed K, Brunckhorst O, Dasgupta P. Decision Regret in Patients with Localised Prostate Cancer: A Systematic Review and Meta-analysis. Eur Urol Oncol. 2023 Oct;6(5):456-466. doi: 10.1016/j.euo.2023.02.005.

3Flitcroft K, Brennan M, Spillane A. Decisional regret and choice of breast reconstruction following mastectomy for breast cancer: A systematic review. Psychooncology. 2018 Apr;27(4):1110-1120. doi: 10.1002/pon.4585.

Han Q, Quadflieg S, Ludwig CJH. Decision avoidance and post-decision regret: A systematic review and meta-analysis. PLoS One. 2023 Oct 13;18(10):e0292857. doi: 10.1371/journal.pone.0292857.

Wilson A, Ronnekleiv-Kelly SM, Pawlik TM. Regret in Surgical Decision Making: A Systematic Review of Patient and Physician Perspectives. World J Surg. 2017 Jun;41(6):1454-1465. doi: 10.1007/s00268-017-3895-9.

Reyna VF, Nelson WL, Han PK, Pignone MP. Decision making and cancer. Am Psychol. 2015 Feb-Mar;70(2):105-18. doi: 10.1037/a0036834.

Fragen Sie uns. Wir sind für Sie da.

Ärztinnen und Ärzte beantworten Ihre Fragen zu Krebs am Telefon oder per E-Mail – kostenfrei.
Unsere Informationen sind verständlich, aktuell, wissenschaftlich fundiert und qualitätsgesichert.

Ärztlicher Telefondienst

Telefonisch erreichen Sie uns unter 0800 420 30 40 täglich von 8 bis 20 Uhr. Ihr Anruf ist innerhalb Deutschlands kostenlos.

Wir rufen Sie gerne zurück

Sie haben uns nicht erreicht? Oder wollen in einem festen Zeitraum mit uns telefonieren? Dann
können Sie mit unseren Ärztinnen und Ärzten einen Rückruf vereinbaren.

  • Pflichtfelder Bitte hinterlegen Sie eine Telefonnummer unter der Sie persönlich gut zu erreichen sind, wählen Sie unter "Uhrzeit" den Zeitraum, in dem Sie zurückgerufen werden möchten und stimmen Sie unseren Datenschutzbestimmungen zu.

Ärztlicher E-Mail-Service

Schriftliche Anfragen senden Sie bitte entweder