Was bedeuten die Ergebnisse für die Prävention von Krebs?
"Diese Zahlen, die nun erstmals auch für Deutschland vorliegen, liefern eine wichtige Grundlage für die Präventionsforschung", sagt Michael Baumann, der Vorstandsvorsitzende des DKFZ, und ergänzt: "Wir könnten weit über ein Drittel aller Krebsneuerkrankungen vermeiden, würden wir das Potenzial der Krebsprävention voll ausschöpfen. Das würde nicht nur Zehntausenden das Leben retten, sondern darüber hinaus noch deutlich mehr Menschen das Schicksal einer schweren Erkrankung und die damit verbundenen Belastungen ersparen."
Brenner und Mons halten den nun errechneten Anteil von 37 Prozent an vermeidbaren Krebsfällen noch für niedrig geschätzt: Bei vielen Krebsarten sind die Zusammenhänge mit einzelnen Risikofaktoren noch nicht belegt und daher noch nicht in die Risikoberechnung eingeflossen. Andere Risikofaktoren, beispielsweise die natürliche UV-Strahlung, konnten aus Mangel an Daten nicht berücksichtigt werden. Tatsächlich könnte das Ergebnis noch deutlich höher liegen. "Berücksichtigen wir zusätzlich noch das Potenzial von Früherkennungsmaßnahmen, etwa der Darmspiegelung, so liegt der Anteil vermeidbarer Krebserkrankungen noch weitaus höher, schätzungsweise bei mindestens 50 Prozent", ergänzt Hermann Brenner.
Darüber hinaus fördern viele der Krebsrisikofaktoren auch andere chronische Krankheiten, insbesondere Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Krebsprävention ist daher breite Gesundheitsprävention.
Altersstandardisierte Krebssterblichkeit dank Früherkennung gesunken
Zwar ist die altersstandardisierte Krebssterblichkeitsrate in den letzten zwei Jahrzehnten um fast ein Viertel gesunken – dank der Einführung einzelner wirksamer Präventions- und Früherkennungsuntersuchungen und dank einer deutlich verbesserten Behandlung vieler Krebsarten. Doch die absolute Zahl an Krebstodesfällen steigt weiterhin an, da aufgrund der weiterhin steigenden Lebenserwartung und der wachsenden Zahl älterer Menschen immer mehr Menschen in Deutschland an Krebs erkranken.
"Mit diesen Schätzungen wollen wir der Gesundheitspolitik, aber auch Ärzten und anderen Mitarbeitern des Gesundheitswesens Anhaltspunkte dafür liefern, wie das große ungenutzte Potenzial der Krebsprävention effizienter genutzt werden könnte", sagt Hermann Brenner.
Tabakkonsum bedingt in Deutschland 19 Prozent aller Krebsfälle
Die Art der Berechnung, die Brenner und Mons hier einsetzen, ist in der Epidemiologie weit verbreitet. Wissenschaftler ermitteln damit die Anzahl der Fälle, um die das Auftreten einer Krankheit reduziert werden könnte, wenn in der Bevölkerung ein bestimmter Krankheitsrisikofaktor eliminiert oder reduziert würde. Was Krebsrisikofaktoren betrifft, wurde bislang in Deutschland immer auf Ergebnisse aus Großbritannien zurückgegriffen.
"Erwartungsgemäß sind die Ergebnisse für Deutschland und Großbritannien recht ähnlich. Einen deutlichen Unterschied sehen wir jedoch beim Risikofaktor Tabakrauchen", sagt Ute Mons. "Tabakkonsum bedingt in Deutschland 19 Prozent aller Krebsfälle, bei den Briten dagegen nur rund 15 Prozent. Hier wird sichtbar, dass Deutschland bei der Umsetzung einer wirksamen Tabakpräventionspolitik europaweit zu den Schlusslichtern zählt. In Ländern, die eine konsequente Tabakprävention betreiben, neben Großbritannien beispielsweise Australien, fordert das Rauchen inzwischen weit weniger Krebsopfer als bei uns."
Übergewicht und Bewegungsmangel: Ursprung liegt im frühen Kindesalter
Auch im Hinblick auf die sich weltweit epidemisch ausbreitenden Risikofaktoren Übergewicht und Bewegungsmangel sieht Hermann Brenner Handlungsbedarf für die Politik: "Besonders besorgniserregend ist, dass diese beiden Risikofaktoren ihren Ursprung bereits im frühen Kindesalter haben. Hier sollte präventiven Maßnahmen höchste Priorität eingeräumt werden. So könnte eine gesundheitsförderliche Preispolitik, etwa durch gestaffelte Mehrwertsteuersätze, wichtige finanzielle Anreize für eine gesunde Ernährung in der Familie liefern. Das schulische Umfeld sollte dringend ausreichend Bewegung fördern."
"Einen Erfolg von Präventionsmaßnahmen werden wir erst nach vielen Jahren sehen. Und eine schlagkräftige Krebsprävention wird nicht zum Nulltarif zu haben sein", sagt Michael Baumann. "Doch die Fortschritte in der Krebstherapie haben erst Recht ihren Preis. Langfristig wird sich Vorbeugen auszahlen, auch gesundheitsökonomisch."
Zum Weiterlesen
Die Studie wurde von der Deutschen Krebshilfe finanziell gefördert (Förderkennzeichen 70112097). Die Ergebnisse wurden veröffentlicht im Deutschen Ärzteblatt:
Mons U, Gredner T, Behrens G, Stock C, Brenner H. Krebs durch Rauchen und hohen Alkoholkonsum - Schätzung der attributablen Krebslast in Deutschland. DOI: 10.3238/arztebl.2018.0571
Behrens G, Gredner T, Stock C, Leitzmann MF, Brenner H, Mons U. Krebs durch Übergewicht, geringe körperliche Aktivität und ungesunde Ernährung. Schätzung der attributablen Krebslast in Deutschland. DOI: 10.3238/arztebl.2018.0578
Gredner T, Behrens G, Stock C, Brenner H, Mons U. Krebs durch Infektionen und ausgewählte Umweltfaktoren - Schätzung der attributablen Krebslast in Deutschland. DOI: 10.3238/arztebl.2018.0586
Diese und weitere Pressemitteilungen des Deutschen Krebsforschungszentrums können Sie auch abrufen unter www.dkfz.de/de/presse/pressemitteilungen/index.php.
Mehr beim Krebsinformationsdienst
- Lebensstil und Krebsrisiko
- Alkohol und Krebs: Vom Genuss zur Gefahr
- Ernährung und Krebsvorbeugung
- Rauchen und Passivrauchen: Gesundheitsrisiko Zigarette und Co.
- Sport und Bewegung zur Krebsvorbeugung
- Umweltgifte – Schadstoffe in Lebensmitteln, Haushalt, Arbeit und Umwelt
Sie haben Fragen zu Krebs? Wir sind für Sie da:
- täglich von 8.00 bis 20.00 Uhr unter 0800 - 420 30 40 (kostenlos, vertraulich)
- per E-Mail über ein datensicheres Formular unter krebsinformationsdienst@dkfz.de